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BUA 11,51
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Und bald darauf sah eine gewisse Nonne in einem Kloster nahe der Stadt im
Schlaf, wie sich ein gewisser Hausherr an einem angemessenen Ort
niederließ. Zu ihm kam, weil viele Brüder des Predigerordens gleichsam
nach der Arbeit für ihren täglichen Groschen dorthin zu kommen schienen,
zuletzt ein gewisser unbekannter Bruder; dennoch streckte er zögernd seine 5
Hand aus, um wie einer der Brüder den Groschen zu erhalten. Der Hausherr
schaute ihn aufmerksam an und sagte: „Du wirst den Groschen aber nicht
auf diese Art erhalten, zuvor musst du durch viele Heilmittel geläutert
werden.“ Als die besagte Nonne dies dem Priester des Klosters vorgetragen
und gefragt hatte, ob irgendeiner der Predigerbrüder verstorben sei, 10
antwortete der Priester, dass er noch am Abend keinen kranken oder
verstorbenen Bruder im Haus der Brüder gefunden habe. Am Morgen nach
dem Frühgottesdienst kam der Subprior der Predigerbrüder, der versprochen
hatte, vor dem Konvent zu predigen; und er sagte, er könne nicht predigen,
weil er an dem Begräbnis eines verstorbenen Bruders teilnehmen müsse. So 15
wurde also die besagte Vision der Nonne bestätigt und deutlich offenbart,
denn dem Büßer nützt das ihm verliehene Gewand nur dann viel, wenn der
Wandel seines Willens rein war.
[9] Es gibt aber ein anderes gewaltiges Übel unter gewissen Religiösen, die
bei der Aufnahme von bereuenden Apostaten zu unzugänglich und streng 20
sind. Ich kannte einen gewissen Bruder des Predigerordens, einen gebildeten
und bedeutenden Mann, der, nachdem er vom Orden abgefallen und von
schwerster Krankheit ergriffen worden war, eine Rückkehr zum Orden
erbat, jedoch nicht erreichte, daraufhin äußerst ungeduldig daran
verzweifelte und schließlich starb; und er erschien im Kloster Aywieres in 25
Brabant13 einer gewissen, äußerst heiligen Nonne und erwies sich dabei als
auf ewig verdammt, so wie wir von ihr selbst erfahren haben, was sie sah.
Und ich sage gewiss, dass ich jenem im Tode Büßenden weder den Orden
noch das Gewand, auch nicht für das ganze Gold Arabiens, verweigert
haben will. Ich glaube nämlich und bin überzeugt, dass die, die ihm in der 30
i3Zisterzienserinnenabtei von Aywieres, gegründet um 1215. S. für weitere Informationen Thom.
Cantimpr. BUA II, 7,2.
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BUA 11,51
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Und bald darauf sah eine gewisse Nonne in einem Kloster nahe der Stadt im
Schlaf, wie sich ein gewisser Hausherr an einem angemessenen Ort
niederließ. Zu ihm kam, weil viele Brüder des Predigerordens gleichsam
nach der Arbeit für ihren täglichen Groschen dorthin zu kommen schienen,
zuletzt ein gewisser unbekannter Bruder; dennoch streckte er zögernd seine 5
Hand aus, um wie einer der Brüder den Groschen zu erhalten. Der Hausherr
schaute ihn aufmerksam an und sagte: „Du wirst den Groschen aber nicht
auf diese Art erhalten, zuvor musst du durch viele Heilmittel geläutert
werden.“ Als die besagte Nonne dies dem Priester des Klosters vorgetragen
und gefragt hatte, ob irgendeiner der Predigerbrüder verstorben sei, 10
antwortete der Priester, dass er noch am Abend keinen kranken oder
verstorbenen Bruder im Haus der Brüder gefunden habe. Am Morgen nach
dem Frühgottesdienst kam der Subprior der Predigerbrüder, der versprochen
hatte, vor dem Konvent zu predigen; und er sagte, er könne nicht predigen,
weil er an dem Begräbnis eines verstorbenen Bruders teilnehmen müsse. So 15
wurde also die besagte Vision der Nonne bestätigt und deutlich offenbart,
denn dem Büßer nützt das ihm verliehene Gewand nur dann viel, wenn der
Wandel seines Willens rein war.
[9] Es gibt aber ein anderes gewaltiges Übel unter gewissen Religiösen, die
bei der Aufnahme von bereuenden Apostaten zu unzugänglich und streng 20
sind. Ich kannte einen gewissen Bruder des Predigerordens, einen gebildeten
und bedeutenden Mann, der, nachdem er vom Orden abgefallen und von
schwerster Krankheit ergriffen worden war, eine Rückkehr zum Orden
erbat, jedoch nicht erreichte, daraufhin äußerst ungeduldig daran
verzweifelte und schließlich starb; und er erschien im Kloster Aywieres in 25
Brabant13 einer gewissen, äußerst heiligen Nonne und erwies sich dabei als
auf ewig verdammt, so wie wir von ihr selbst erfahren haben, was sie sah.
Und ich sage gewiss, dass ich jenem im Tode Büßenden weder den Orden
noch das Gewand, auch nicht für das ganze Gold Arabiens, verweigert
haben will. Ich glaube nämlich und bin überzeugt, dass die, die ihm in der 30
i3Zisterzienserinnenabtei von Aywieres, gegründet um 1215. S. für weitere Informationen Thom.
Cantimpr. BUA II, 7,2.