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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0009
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VIII

Einleitung des Herausgebers

dürfen, die Frage nach der Wirklichkeit als Frage nach Gott formuliert. Im Zeitalter des
Nihilismus gelte es freilich, die Gottesfrage so zu stellen, dass sie offenbleibt und nicht,
wie in der Geschichte der Philosophie noch immer geschehen, durch eine vorzeitige
Antwort beruhigt werde. Jaspers, so lautet nun Weischedels Kritik, habe dieses radi-
kale Fragen nicht konsequent durchgehalten, sondern in der persönlichen, durch phi-
losophisches Denken nicht mehr ausweisbaren Erfahrung des Sichgeschenktwerdens
ins Ziel kommen lassen: »Eine höchst subjektive Gotteserfahrung bildet die ausschließ-
liche Basis der Philosophischen Theologie von Jaspers. Es gibt in ihr keine aus dem
Denken zu gewinnende Vergewisserung. Das einzige, was bleibt, ist die Aufforderung,
an die Transzendenz, an Gott, zu glauben.«1
In diesem Fazit klingt ein gegenüber Jaspers oft erhobener Vorwurf, der Vorwurf
des Subjektivismus, an. Subjektiv bedeutet hier, dass »ein letztlich in der religiösen
Sphäre beheimatetes Erlebnis«, die Erfahrung des Sichgeschenktwerdens im Sinne
göttlicher Gnade, zum Angelpunkt des Philosophierens gemacht werde, obwohl doch
das Philosophieren »nicht von zufälliger subjektiver Erfahrung getragen sein« könne.2
Weischedel spricht Jaspers die Authentizität dieser Erfahrung keineswegs ab. Er ist weit
davon entfernt, sie für eine schwärmerische Selbsttäuschung zu halten, aber sie ist für
ihn eben keine Erfahrung, die man auf dem Wege konsequenten philosophischen
Denkens macht. Zwar mag sie bei einem gläubigen Menschen im Vollzug des Denkens
eintreten, doch dürfe ihn das nicht dazu verleiten, sie als ein Moment dieses Denkens,
womöglich noch als seine Erfüllung und Vollendung, aufzufassen. Da sie von außen
kommt, müsse sie aus dem Denken herausgehalten werden.
Bezeichnenderweise wird der Vorwurf des Subjektivismus auch von theologischer
Seite erhoben. Bei Karl Barth, der hier ebenfalls stellvertretend für viele genannt sei, be-
steht er in der Tat darin, dass die Erfahrung des Sichgeschenktwerdens auf eine schwär-
merische Selbsttäuschung zurückgehe. Was Jaspers damit meine, sei in Wahrheit ein
»Geschenk«3 Gottes, das von einem Denken, dem der Glaube an Gottes Gnadenhan-
deln in Jesus Christus fehlt, überhaupt nicht erfasst werden könne. Dieses Denken
kreise vielmehr in sich selbst und verweise, sich selbst doch nie genug, den Menschen
an eine immanent bleibende, eben darum subjektivistisch zu nennende »Transzen-
denz, die er sich nicht nehmen noch geben kann, die ihm aber auch nie fehlen wird,
deren er freilich auch nie sicher sein darf und kann.«4 Anders als Weischedel hält Barth
die Erfahrung des Sichgeschenktwerdens gerade nicht für eine Glaubenserfahrung,

1 W. Weischedel: Der Gott der Philosophen. Grundlegung einer Philosophischen Theologie im Zeitalter
des Nihilismus, Bd. 2: Abgrenzung und Grundlegung, Darmstadt 1972,139.
2 Ebd., 134.
3 K. Barth: »Die Aktualität der christlichen Botschaft«, in: ders.: Humanismus, Zollikon-Zürich
1950, 3-12, hier: 6.
4 K. Barth: »>Humanismus<«, ebd., 13-28, hier: 19.
 
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