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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0638
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Philosophie und Offenbarungsglaube

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Regelmäßigkeit besitzen. Das ist nicht Freiheit. Freiheit kann ich nicht beweisen. Wer
Freiheit leugnet, dem kann ich nicht antworten durch etwas, das ihn zwingt, sie an-
zuerkennen. Ich könnte höchstens antworten: Übernimmst du die Verantwortung
dafür, daß du so lebst, als ob keine Freiheit sei? Indem ich mir meiner Freiheit be-
wußt werde, werde ich mir zugleich der Transzendenz bewußt, denn solange ich psy-
chologisch denke und Willkürakte kenne, kann ich in der Welt bleiben. Wo ich Frei-
heit erfahre, erfahre ich mit einem Schlage das, wodurch Freiheit ist, denn Freiheit,
die sich eigentlich erfaßt, erfaßt sich als etwas, was nicht durch sich selbst ist. Ich
habe mich nicht selbst geschaffen, weder leiblich noch in meiner Freiheit. Mit dem
Bewußtsein der Erscheinungshaftigkeit | des Daseins und zugleich auch des Weltbe- 51
wußtseins ist im Grunde die Lebensverfassung selbst verwandelt. Die Welt ist kein
Gegenstand mehr. In der Welt geht Forschung nach allen Seiten. Die Welt als Gan-
zes ist unerforschbar. Die Welt hat in sich keinen Boden. Das, als das wir uns tätig
und einsehend bewußt werden, ist aus der Welt selber nicht zu begreifen. Sie sehen
die Wirkung der philosophischen Grundoperation; oder anders, der Ursprung, der
mich drängt, diese Operation zu vollziehen, ist für wissenschaftliche Erkenntnis un-
erzwingbar. Man kann sagen, die Grundoperation macht frei, aber sie, als solche, er-
füllt nicht die Freiheit. Was ich durch sie einsehe, schützt mich gegen Einbrüche des
Verstandes-Denkens und des Wissenschaftsaberglaubens. Aber dies alles - so einfach
hingesagt - kann höchstens aufmerksam machen. Man muß selbst darangehen, um
die Wende des philosophischen Seinsbewußtseins zu vollziehen. Und diese philoso-
phische Grundoperation - obgleich sie eine Verwandlung des Seinsbewußtseins er-
zeugt - ist noch keineswegs die Umwendung oder die Umkehr des Menschen, von der
noch die Rede sein wird.

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Bestimmte bei Ihnen immer wiederkehrende Ausdrücke lassen sich zu Reihen zusam-
menfügen, die sich auf den ersten Blick gegenseitig auszuschließen scheinen, sich in
Wahrheit jedoch gegenseitig ergänzen und tragen. Die erste Reihe ist etwa charakteri-
siert durch Ausdrücke wie »Umkreisen der Wahrheit«, »Wahrheit in der Schwebe«, »Be-
wegung«, »Ungeschlossenheit«, »radikale Offenheit«, »Nichtwissen«. Daß diese Reihe
nicht negativ, sondern höchst positiv gemeint ist, zeigt eine zweite, negativ gemeinte
Reihe, die durch Ausdrücke wie »Gleichgültigkeit«, »Bodenlosigkeit«, »intellektuelle
Spielerei« charakterisiert ist. Endgültig klar wird dies durch die dritte Reihe, die der ers-
ten positiv korrespondiert. Da ist die Rede von »Entschluß«, »Entscheidung«, »Wag-
nis«, »Sprung«, »Umwendung«, »Unbedingtheit«, »Existenz«, »Ernst«. Und ich muß
von mir gestehen, daß ich durch den Umgang mit Ihrem Buch in solchen Ernst ver-
setzt worden bin, nicht in den Ernst des philosophischen Glaubens, aber in einen
neuen Ernst des Offenbarungsglaubens. Doch wie ver|trägt sich das nun miteinander: 53
 
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