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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0031
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XXX

Einleitung des Herausgebers

Persönlichkeit gerichteten Psychologie. Für die Idee und methodologische Anlage des
Werkes waren neben Kants Ideenlehre, von der noch zu sprechen sein wird, vor allem
zwei im weiteren Sinne »zeitgenössisch« zu nennende Denker maßgebend: Max We-
ber und Wilhelm Dilthey.
Max Weber, für Jaspers neben den schon genannten Autoren erklärtermaßen der
wichtigste Ideengeber für seine Weltanschauungspsychologie,134 ist für Jaspers gleich
in mehrfacher Hinsicht bedeutungsvoll: einmal im Hinblick auf seinen verstehenden
Ansatz, zweitens durch die Begriffsstrategie der Idealtypen, drittens aufgrund seines
Postulats der Werturteilsfreiheit und viertens mit Blick auf das, was man die »reflexive
Direktive der Wissenschaftern nennen könnte.
In seinen wissenschaftstheoretischen Schriften hatte Weber heuristische Grund-
lagen einer »Verstehenden Soziologie«135 entwickelt, die für Jaspers’ in der Psychologie
der Weltanschauungen verfolgte »Verstehende Psychologie« zu zentralen Bezugspunk-
ten wurden.136 Aus Jaspers’ Sicht hatte Weber in seinen religionssoziologischen und
politischen Schriften gar »eine Art weltanschauungspsychologischer Analyse«137 be-
trieben. Aber nicht nur diese Deutung und die von Jaspers ausdrücklich in Anlehnung
an Weber angestrebte Trennung zwischen weltanschaulicher Wertung und wissen-
schaftlicher Betrachtung138 lassen Jaspers’ Ansatz beinahe wie eine Übertragung der
»Verstehenden Soziologie« Webers auf das Gebiet der Psychologie erscheinen.139 Un-
ter der Annahme, dass alles Handeln in seinen Konsequenzen »eine Parteinahme zu-
gunsten bestimmter Werte bedeutet«,140 ist Webers Ansatz allgemein auf die Rekon-

134 Vgl. K. Jaspers: Psychologie der Weltanschauungen, 33-34. Fritz Heinemann bezeichnet Jaspers 1929
explizit als »Schüler« Max Webers (Neue Wege der Philosophie. Geist/Leben/Existenz - Eine Einfüh-
rung in die Philosophie der Gegenwart, Leipzig 1929,273).
135 Vgl. M. Weber: »Ueber einige Kategorien der verstehenden Soziologie« [1913], in: Gesammelte Auf-
sätze zur Wissenschaftslehre, 427-474.
136 Vgl. hierzu auch: K. Jaspers an W. Hellpach, 22. April 1949. Dort schreibt Jaspers: »Ich verdanke
Max Weber nicht nur meine Psychopathologie in der Jugend, sondern die Möglichkeit meiner
Philosophie. Mein Freund Gruhle hat - gerade vor wenigen Wochen - öffentlich in einer Wid-
mung seines Hauptwerkes bekannt, was uns seit 40 Jahren gemeinsam selbstverständlich war«
(K. Jaspers: Korrespondenzen 1,188-191,190). Die erwähnte Widmung von Gruhle in seinem Werk
mit dem gerade im Zusammenhang mit Jaspers auffälligen Titel Verstehende Psychologie (Erlebnis-
lehre), Stuttgart 1948, lautet: »Dem sachverständigen Leser wird nicht der starke Einfluß entge-
hen, den Max Weber auf meine Grundstellungen gewann. Ihm, dem bedeutenden Menschen,
dem persönlich nahezu treten mir das Schicksal vergönnte, gilt diese ganze Arbeit als Huldigung«.
137 K. Jaspers: Psychologie der Weltanschauungen, 34.
138 Vgl. hierzu: M. Weber: »Der Sinn der >Wertfreiheit< der soziologischen und ökonomischen Wis-
senschaften« [1917], in: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 489-540; »Die »Objek-
tivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis«, in: ebd., 146-214,149.
139 Diese Annahme wird u.a. dadurch gestützt, dass der Begriff »Verstehende Psychologie« augen-
scheinlich eine Schöpfung von Jaspers ist.
140 M. Weber: »Die »Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis«, 150.
 
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