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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0054
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Einleitung des Herausgebers

LIII

In der Frankfurter Zeitung urteilt Hermann Herrigel,267 der Wert der Schrift bestehe
vor allem darin, dass Jaspers bei der Aufgabe, im Gesamtbereich der möglichen Welt-
anschauungen »gewisse Typen so gegeneinander abzugrenzen, daß sie sich zu einem
systematischen Ganzen zusammenordnen«, der Gefahr ausweiche, die »psychologi-
sche objektive Beobachtung« zu verlassen und in philosophische Darlegungen hinein-
zugeraten. Jaspers unterscheide sich von ähnlichen Versuchen dadurch, dass er »zu den
>Grenzen< vorzudringen und - wie Herrigel meint - »ein System aufzustellen sucht«.
Aber auch in der akademischen Philosophie stieß Jaspers’ Buch durchaus auf posi-
tive Resonanz, freilich nicht, ohne auch kritische Töne verlautbaren zu lassen. Der
schweizerische Philosoph Arthur Stein sieht die Psychologie der Weltanschauungen in
seiner zusammen mit Rickerts Polemik im Logos erschienenen Rezension in einer Li-
nie mit einer neuartigen Psychologie, die - wie auch diejenige Diltheys - auf ein um-
fassendes Verständnis des Menschen als Ganzes abziele.268 Anders als vielen Rezensen-
ten gelingt Stein durch den Vergleich mit Dilthey eine erhellende Verortung des
Werkes im Bereich der Psychologie. Anerkennend wird hervorgehoben, dass Jaspers es
fertigbringe, die Gültigkeit von Windelbands Bemerkung einzuschränken, nach der
es noch niemandem geglückt sei, die Psychologie des intuitiven Verständnisses zu ei-
ner Wissenschaft zu machen.269 Jaspers’ Buch bietet in Steins Augen »eine entschie-
dene Weiterbildung dessen, was Dilthey in den Typen der Weltanschauungem (1911)
entworfen« hat.270 Gegenüber dem Historiker Dilthey gehe Jaspers illusionsloser und
schonungsloser vor.271 Dabei handhabe er seinen systematischen Apparat »mit größ-
ter Ehrlichkeit und mit dem Bewußtsein der logischen Struktur seiner Methode« und
führe den Leser hinter die Kulissen seiner Forschungsresultate.272 Besonders angetan
zeigt sich Stein von dem einleitenden Abschnitt des dritten Kapitels über die Geis-
testypen, in dem die Suche nach Weltanschauung auf das Erleben der Grenzsituatio-
nen zurückgeführt werde.273 In der Kritik schlägt Stein ähnliche Töne an wie Rickert,
von dem weiter unten noch die Rede sein wird. Gewisse Urteile, besonders über das
Verhältnis von Gehäuse und Geist, träfen wohl auf die »empirische Situation unserer
Zeit« zu, entsprächen aber nicht dem zeitlosen Wesen der Sache.274 Zudem hält Stein
die »Logophobie« von Jaspers und seine Kritik an allem Systemischen für falsch, da
doch das Rationale, das für Jaspers »lebentötenden Charakter« habe, selbst als Moment

267 Literaturblatt. Beilage zur Frankfurter Zeitung, Nr. 25 (1920) 3.
268 A. Stein: »Karljaspers: Psychologie der Weltanschauungen«, in: Logos. Zeitschrift für systematische
Philosophie, H. 1 (1920) 122-131,123-125.
269 Ebd., 123.
270 Ebd., 124.
271 Ebd.
272 Ebd., 125.
273 Ebd., 127.
274 Ebd., 128.
 
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