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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0055
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LIV

Einleitung des Herausgebers

des Lebens verstanden werden müsse.275 Gleiches gelte auch für die Ideen, die Stein als
»Motoren in diesem System« ansieht. Jaspers’ Behauptung: »Die philosophischen Leh-
ren fallen nicht zusammen mit der Existenz des Menschen« kann Stein ebenfalls nichts
abgewinnen, wie er mit Verweis auf Kant moniert.276 Zudem verbleibe Jaspers keines-
wegs immer in der »reinen Kontemplation«. Vielmehr sei der »Unsichtbare, der die Fä-
den in der Hand hält, [...] in Jaspers’ Psychologie der Weltanschauungen ein Prophet
des Lebens«. Denn der weltanschauliche Hintergrund des Buches, so Stein, sei »eine
Philosophie des Lebens«,277 weshalb der Boden, auf dem über Jaspers’ Ansichten ent-
schieden werden müsse, die Philosophie sei. Wertvoll erscheint Stein hingegen, dass
Jaspers ein gewaltiges Material von der Idee des Ganzen verständlicher Zusammen-
hänge durchdrungen habe. Wo Jaspers eine Substanz sehe, da entstünden »prachtvolle
Charakteristiken«. Auch sieht Stein in dem Buch »eine Fundgrube für eine kommende
Philosophie der Weltanschauungen«. Wenn aber, wie Stein sagt, »der Wille zur Philoso-
phie Wille ist, das Existentiale selbst philosophisch auszusprechen, dann ist das phi-
losophische Erkennen wahre Lebendigkeit, dann entsteht eine Philosophie, die auch
den betrachtenden Psychologen zwingt, über das Wesen der ratio anders zu denken
als Jaspers«.278
Der Philosoph August Messer, selbst von Jaspers gründlich rezipiert, spricht mit
Blick auf die Psychologie der Weltanschauungen von einem »hochbedeutsamen Werk«.
Das Buch bezeuge eine »ganz ungewöhnliche« Vertrautheit mit der Psychologie und
Philosophie in ihrer geschichtlichen Entwicklung und eröffne wertvollste Einblicke
in die Tiefe und Fülle des Geisteslebens. Gegenüber der experimentellen Psychologie,
die sich partikularen Fragen widme, brauche es notwendig »als Gegengewicht« sol-
cher Werke, die den Blick auf große Zusammenhänge und Leistungen der Seele lenk-
ten. Allerdings berge das Buch für philosophisch wenig geschulte Leser die Gefahr,
unmerklich in einen »entnervenden Relativismus« und »lähmenden Skeptizismus«
zu geraten. Im Ganzen habe Jaspers ein Werk geschaffen, das sich Hegels Phänomeno-
logie des Geistes zur Seite stellen dürfe279 - ein Vergleich, der häufig gezogen wurde, un-
ter anderem auch von dem Naturphilosophen Moritz Schlick. Dieser kritisiert zwar
Jaspers’ Gegenüberstellung von »prophetischer Philosophie« und »universaler Be-
trachtung«, lobt aber die »Virtuosität« der verstehenden Methode und Jaspers’ »Kraft
und Beweglichkeit der Einfühlung«, die ihm bei der »Durchmusterung der feinsten
Falten des Seelenlebens« zu Gebote stehe. Dabei attestiert Schlick dem Autor eine Vor-
liebe für das Düstere, Verborgene und Verschwommene. Jaspers führe den Leser durch

275 Ebd.
276 Ebd., 129.
277 Ebd., 130.
278 Ebd., 131.
279 A. Messer: »Zur Psychologie der Weltanschauungen«, in: Deutsche Literaturzeitimg, Nr. 44
(30.10.1920) 681-684, 684.
 
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