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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0057
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LVI

Einleitung des Herausgebers

und damit der Psychologie zugunsten einer Spaltung in eine philosophische und eine
empirische Psychologie aufgebe.288
Viktor von Weizsäcker befindet in der Klinischen Wochenschrift, dass bereits der Ti-
tel des Buches trotz anders gelagerter Intention eine »Auflösung der Philosophie in
Psychologie« argwöhnen lasse und erinnert damit an die Psychologismus-Kontroverse.
Trotz großer Anerkennung für die psychologische Ergiebigkeit seiner Betrachtung kri-
tisiert von Weizsäcker, dass die eingehende Auseinandersetzung mit Kierkegaard und
Nietzsche die Paradoxie mit sich bringe, zwei »Ironiker der Wissenschaft« als »Kron-
zeugen für wissenschaftliche Erkenntnisse« und »Helfer einer wissenschaftlichen Welt-
anschauung« aufzurufen.289
Gegenüber diesen recht globalen Beurteilungen gab es zwei Rezensenten, die Jas-
pers’ Schrift einer eingehenden Analyse und schonungsloser Kritik unterzogen Jaspers’
renommierter Philosophenkollege Heinrich Rickert und der junge Martin Heidegger,
der für Jaspers zum wichtigsten Weggefährten bei der Entfaltung des existenzphiloso-
phischen Denkens werden sollte.
16. Rickerts Polemik
Rickerts Rezension war die erste, die Jaspers zu seiner Psychologie der Weltanschauungen
erhielt.290 Die im Frühjahr 1920 im Logos erschienene Polemik,291 die nicht ausdrück-
lich als Rezension ausgewiesen war, sondern im Kleide einer Kritik philosophischer
Mode Strömungen daherkam, ist getragen von einer Gegenüberstellung von Wert- und
Lebensphilosophie, von dem Pathos des »theoretischen« und dem des »antitheoreti-
schen« Menschen. Rickerts Auseinandersetzung nimmt ihren Ausgang von einer de-
zidiert wertphilosophischen und zugleich dem Anspruch nach epistemologischen
Grundannahme. Nach dieser gilt, dass die inhaltlich bestimmte »Wahrheit« eines

288 W. Wirth: »Zur Kritik einer verstehenden Psychologie der Weltanschauungen«, in: Archiv für die
gesamte Psychologie, Bd. 43 (1922) 72-110.
289 V. v. Weizsäcker, in: Klinische Wochenschrift, Nr. 12 (1923) o.S.
290 Rickert hatte sich das Manuskript der Psychologie der Weltanschauungen bereits vor Erscheinen des
Buches zum Zwecke einer Kritik aushändigen lassen (G. Jaspers an die Eltern, 18. April 1919). In
einem Brief an die Eltern schreibt Jaspers am 21. Juni 1920: »Er [Rickert] fühlte sich in seiner phi-
losophischen Existenz mit Recht indirekt in meinem Buche sehr in Frage gestellt. Und diese Kri-
tik will zeigen, dass ich im Prinzip völlig im Irrtum bin. [...] Schüler von Rickert finden es ein Zei-
chen höchster Anerkennung, dass Rickert einen ganzen Aufsatz über mich schreibt, das habe er
noch nie einem Buche angetan. Nun, die Kritik will vernichtend sein!«
291 Rickerts Rezension wurde unter dem Titel »Psychologie der Weltanschauungen und Philosophie
der Werte« 1920 in der Zeitschrift Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur publi-
ziert (Bd. 9, H. 1 [1920] 1-42). Noch im selben Jahr veröffentlichte Rickert eine ausführlichere Aus-
einandersetzung mit der »Philosophie des Lebens«, in der er seine Kritik an Jaspers in einen brei-
teren Kontext stellte (H. Rickert: Die Philosophie des Lebens. Darstellung und Kritik der philosophischen
Modeströmungen unserer Zeit, Tübingen 1920, bes. 146-155).
 
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