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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0135
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42

Psychologie der Weltanschauungen

nach dem Recht, der Wahrheit der Objekte, die für ein Subjekt bestehen. Was psychologisch
wirksam, für das Verstehen anschaulich, von eigenem Prinzip ist, interessiert uns; das kann ein
mythisches Weltbild, ein Wahninhalt eines Irrsinnigen, die Phantasie eines Schwärmers sein.
Nach dieser Abschweifung kehren wir zur Frage der systematischen Ordnung zurück.
Die Mannigfaltigkeit des Subjekt-Objekt-Verhältnisses ist außerordentlich groß. Zählt
man nur einige Wortpaare zur Bezeichnung von Subjekt-Objekt-Beziehungen auf, so
fühlt man sofort diese Mannigfaltigkeit: z.B. Seele - Welt, Ich - Gegenstand, Erlebnis -
Inhalt, Persönlichkeit - Sache, psychophysisches Individuum - räumliche Umgebung
usw. Der Gegensatz von Subjekt und Objekt ist so wirkungsvoll zur Charakteristik der
möglichen Positionen, daß wir ihn als Hauptgesichtspunkt und als Vehikel systema-
tischen Fortschreitens benutzen werden.42 Über jene Mannigfaltigkeit und damit Viel-
deutigkeit soll hier zunächst ein abstrakter Überblick versucht werden:
i. In der raum-zeitlichen Welt setzen wir die Subjekte den Objekten gegenüber als
die psychophysischen Individuen der mechanistisch gedachten Umwelt. Hier besteht ein
Gegenüber, das gar nicht erlebt zu sein braucht, nur für den Betrachter besteht und das
auch ohne Bewußtsein im Subjekt bestehen bleibt. Dieser Gegensatz spielt für unser
Verstehen keine Rolle, es sei denn um durch seinen Kontrast die Eigenart der anderen
Subjekt-Objekt-Beziehungen, die Gegenstand der verstehenden Psychologie sind, zu
akzentuieren. - Wenn wir Erlebnis und Inhalt, Ich und Gegenstand unterscheiden, so läßt
sich in phänomenologischer Zergliederung wohl die Trennung im tatsächlichen Erle-
ben aufzeigen, aber dieses Gegenüber, das erlebt wird, braucht sich der Erlebende kei-
neswegs wissend bewußt zu sein. Er erlebt unmittelbar, naiv, unreflektiert alle möglichen
Objekte als seine Gegenstände, ohne die Mannigfaltigkeit der Gegenstandssphären und
die Mannigfaltigkeit seiner Subjektserlebnisse zu beachten. - Dies geschieht erst in der
Reflexion, in der der Mensch für sich selbst da ist, sich als Gestalt, als ein Selbst oder als
24 eine Mannigfaltigkeit vieler Formen des Selbst | sieht. Es entstehen die Arten, wie der
Mensch für sich da ist, die Schemata des ego. Er nimmt als Subjekt zu seinem Subjekt
Stellung und wird sich dabei der Objekte auf eine neue Art bewußt. Alles wird jetzt der
Unmittelbarkeit und der Naivität entkleidet, und es erwächst nun erst die größte Man-
nigfaltigkeit der Subjekt-Objekt-Beziehungen. - Soweit das Erleben unmittelbar ist, kön-
nen wir als Betrachtende es nur mit Begriffen charakterisieren, die der Erlebende nicht
weiß, den Standpunkt des Subjekts fixieren, ohne daß etwas gesagt wird, was dem Sub-
jekt selbst Inhalt seines Wissens ist. Was ich verstehend von einer Position sage, sie cha-
rakterisierend, ist darum nicht auch auf dieser Position bewußt. Soweit aber das Erle-
ben selbst reflektiert ist, wird auch in der Charakteristik das ausgedrückt, was der
Erlebende weiß und meint. In den Schilderungen wird beides, der vom Betrachter for-
mulierte und der vom Betrachter selbst gemeinte Sinn, oft durcheinandergehen. Eine
scharfe Trennung wird man nur vornehmen da, wo diese Trennung gerade wichtig ist. -
Immer getrennt zu halten ist aber der Standpunkt des betrachtenden und des betrach-
 
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