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Psychologie der Weltanschauungen
die Ausschüttung von Fülle des Details. Das seelische Leben als Ganzes unmittelbar
verstehen kann jeder dazu begabte, seelenhafte Mensch. Unser wissenschaftlicher Ver-
such hat nichts anderes zu sagen, als was jener begabte, verstehende Mensch unmit-
telbar, instinktiv weiß, aber ohne die Fähigkeit, es deutlich für sich zu wissen und aus-
zusprechen. Er will, vermittelt durch Trennungen, die schließlich in der konkreten
Anwendung wieder rückgängig gemacht werden, zu einer wissenden Anschauung des
Seelenlebens nach seiner weltanschaulichen Seite führen. So kann man den Versuch
ein Ganzes von Trennungen nennen, die schließlich nicht endgültig bleiben sollen.
Gerade weil jede solche Ordnung nicht in irgendeinem Teil, sondern als Ganzes Sinn
hat, ist es für die Mitteilung unbequem, das Ganze nicht auf einmal, nicht alles zu-
gleich sagen zu können. Es ist lästig, und wir werden es vermeiden, jedes Stadium un-
serer Charakteristiken mit dem hinderlichen Ballast von Vorbehalten zu versehen, von
denen viele allzu selbstverständlich sind. Gerade die Abstraktion, die die Dinge jeweils
herauslösend, einseitig, rein sehen will, ist der unvermeidliche Weg der rationalen Be-
trachtung, die darum in gewissem Sinne in jedem Moment, diesen isoliert genommen,
falsch ist. Ganz von selbst wird die Folge der Elemente und Typen restringierend wir-
ken.
Wo man einzelnes aufgreift, etwa die rationale Einstellung, kann man sofort auf
Probleme kommen, die im Ganzen der Ordnung zerstreut sind. Überhaupt auf die
Frage, welche Weltanschauungen möglich seien, welche Charaktere die einzelnen Ty-
pen haben, gibt nicht schon die Einzelschilderung, sondern erst das Ganze in seinen
Beziehungen Auskunft. Irgendwo muß man aber anfangen; und im Anfang wird man
am aller falschesten und voraussetzungsreichsten erscheinen, am meisten den Ein-
druck der Vergewaltigung machen.
Der Sinn des Ganzen also möge festgehalten werden: Es werden scharfe Trennungen
gemacht, um das Ganze, durch die Trennungen vermittelt, klar und deutlich zu sehen.
Jede Trennung, jede Begriffsbestimmung, jede Typenkonstruktion ist nicht etwa »die«
Richtige, sondern relativ richtig in bezug auf dieses Ganze. Die Worte zur Bezeichnung
von Weltanschauungen und Weltanschauungselementen sind im Sprachgebrauch un-
endlich vieldeutig, hier besteht die Bemühung, sie alle eindeutiger, enger, bestimmter
zu fassen, in einem Sinn, der hier gemeint ist, in einem anderen Ordnungsgange aber
selbstverständlich anders sein dürfte. Soweit die Worte einen spezifischen Sinn in der
Sprache haben, wird man gut tun, sich an diesen zu halten, jedenfalls neuen Wortsinn
46 durchaus vermeiden. Solch ein Gesamtschema ist ein Werkzeug: Zum gegen|seifigen
Verstehen, wenn man über Menschen und ihre Weltanschauungen sich gegenseitig klar
werden will; zur Analyse von Menschen von dieser Seite her. Der Sinn liegt aber auch ge-
rade bei dieser Anwendung nicht im isolierten Einzelnen für sich, sondern im ganzen
Schema, das als Ganzes aufgenommen werden muß. Es sind verschiedene Schnitte
durch die psychologische Sphäre möglich. Sie sind nur unschädlich für objektives Se-
hen, wenn die Schemata als solche genommen werden, sich gegenseitig paralysieren,
Psychologie der Weltanschauungen
die Ausschüttung von Fülle des Details. Das seelische Leben als Ganzes unmittelbar
verstehen kann jeder dazu begabte, seelenhafte Mensch. Unser wissenschaftlicher Ver-
such hat nichts anderes zu sagen, als was jener begabte, verstehende Mensch unmit-
telbar, instinktiv weiß, aber ohne die Fähigkeit, es deutlich für sich zu wissen und aus-
zusprechen. Er will, vermittelt durch Trennungen, die schließlich in der konkreten
Anwendung wieder rückgängig gemacht werden, zu einer wissenden Anschauung des
Seelenlebens nach seiner weltanschaulichen Seite führen. So kann man den Versuch
ein Ganzes von Trennungen nennen, die schließlich nicht endgültig bleiben sollen.
Gerade weil jede solche Ordnung nicht in irgendeinem Teil, sondern als Ganzes Sinn
hat, ist es für die Mitteilung unbequem, das Ganze nicht auf einmal, nicht alles zu-
gleich sagen zu können. Es ist lästig, und wir werden es vermeiden, jedes Stadium un-
serer Charakteristiken mit dem hinderlichen Ballast von Vorbehalten zu versehen, von
denen viele allzu selbstverständlich sind. Gerade die Abstraktion, die die Dinge jeweils
herauslösend, einseitig, rein sehen will, ist der unvermeidliche Weg der rationalen Be-
trachtung, die darum in gewissem Sinne in jedem Moment, diesen isoliert genommen,
falsch ist. Ganz von selbst wird die Folge der Elemente und Typen restringierend wir-
ken.
Wo man einzelnes aufgreift, etwa die rationale Einstellung, kann man sofort auf
Probleme kommen, die im Ganzen der Ordnung zerstreut sind. Überhaupt auf die
Frage, welche Weltanschauungen möglich seien, welche Charaktere die einzelnen Ty-
pen haben, gibt nicht schon die Einzelschilderung, sondern erst das Ganze in seinen
Beziehungen Auskunft. Irgendwo muß man aber anfangen; und im Anfang wird man
am aller falschesten und voraussetzungsreichsten erscheinen, am meisten den Ein-
druck der Vergewaltigung machen.
Der Sinn des Ganzen also möge festgehalten werden: Es werden scharfe Trennungen
gemacht, um das Ganze, durch die Trennungen vermittelt, klar und deutlich zu sehen.
Jede Trennung, jede Begriffsbestimmung, jede Typenkonstruktion ist nicht etwa »die«
Richtige, sondern relativ richtig in bezug auf dieses Ganze. Die Worte zur Bezeichnung
von Weltanschauungen und Weltanschauungselementen sind im Sprachgebrauch un-
endlich vieldeutig, hier besteht die Bemühung, sie alle eindeutiger, enger, bestimmter
zu fassen, in einem Sinn, der hier gemeint ist, in einem anderen Ordnungsgange aber
selbstverständlich anders sein dürfte. Soweit die Worte einen spezifischen Sinn in der
Sprache haben, wird man gut tun, sich an diesen zu halten, jedenfalls neuen Wortsinn
46 durchaus vermeiden. Solch ein Gesamtschema ist ein Werkzeug: Zum gegen|seifigen
Verstehen, wenn man über Menschen und ihre Weltanschauungen sich gegenseitig klar
werden will; zur Analyse von Menschen von dieser Seite her. Der Sinn liegt aber auch ge-
rade bei dieser Anwendung nicht im isolierten Einzelnen für sich, sondern im ganzen
Schema, das als Ganzes aufgenommen werden muß. Es sind verschiedene Schnitte
durch die psychologische Sphäre möglich. Sie sind nur unschädlich für objektives Se-
hen, wenn die Schemata als solche genommen werden, sich gegenseitig paralysieren,