Psychologie der Weltanschauungen
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Den Staat regieren, Völker kennen lehrt;
Er schätzt die Kunst, sofern sie ziert, sein Rom
Verherrlicht...
In seiner Nähe darf nichts müßig sein
Was gelten soll, muß wirken und muß dienen.«53
Drastisch formuliert den Gegensatz Marx: »Die Philosophen haben die Welt nur ver-
schieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.«54
Im Greifbaren, Tatsächlichen ist der Aktive verankert, in der Anschauung nicht je-
des beliebigen Gegenständlichen, sondern der gegenwärtigen Situation. Seine Natur
sind Wirklichkeitssinn, Sachlichkeit, Nüchternheit, Klarheit, Abschätzung der Kräfte
und Möglichkeiten. Nicht Grundprobleme beschäftigen ihn: Jeder Tag hat seine eige-
nen Sorgen.
2. Für den Aktiven ist immer Bewegung. Er gibt sich nie mit einem Zustand zufrie-
den. Ihm gilt: »Alles ist provisorisch in der Welt.«55 Der unendliche Fluß des wirkli-
chen Geschehens schafft immer neue Situationen, die der Aktive momentan erfaßt
und ergreift, während der Kontemplative, der Denkende sie anschaut, berechnet und
sie damit vorbeigehen läßt, um zu erfahren, daß eine Gelegenheit, nicht ergriffen, nie-
mals wiederkehrt.
3. Erfassen der Situation und Entscheiden bringt für den Aktiven spezifische Schwie-
rigkeiten und spezifische Qualitäten. Die Unendlichkeit der Realitäten und Möglich-
keiten jeder Situation ist nicht vollständig berechenbar. Das kontemplativ Erkenn-
bare ist wohl Mittel, aber nicht ausreichend. Soweit es jeweils Berechenbarkeit gibt,
ist sie in der besonnenen Aktivität (im Gegensatz zur kopflosen) wirksam, aber dar-
über hinaus bedarf es des entschiedenen Wollens, dessen zureichende Begründung
durch rationale Berechnung und Klarheit des Ziels eine Unmöglichkeit ist. Es ist der
ganz irrationale Faktor im Aktiven, der in der Entschiedenheit und Entschlußfähig-
keit auf tritt.
4. Um im Strom unendlichen Geschehens über das Berechnen und Denken hinaus
entschieden Stellung zu fassen und zu halten, | in einer Richtung klar einzugreifen, be- 54
darf es des Mutes, der in irgendeinem Vertrauen wurzelt: Auf eigene Kraft, auf das Fa-
tum, das Glück, auf die eigenen wachsenden, schaffenden Instinkte, auf Gottes Vor-
sehung usw. je nach dem Geistestypus, der dahinter steht. Nicht derjenige hat Mut,
der nicht denkt und nicht berechnet, dem das Erlebnis der Entscheidung fehlt, oder
der fälschlicherweise alles für völlig berechnet, sicher, objektiv entschieden hält: zwar
ist das Denken und Berechnen, je vollendeter es geschieht, um so mehr zunächst An-
laß zur Furcht: wer zuviel weiß, zieht sich furchtsam von allem Handeln zurück. Aber
gerade er allein vermag das Erlebnis der mutigen aktiven Einstellung zu gewinnen. Er
verzagt unter keinen Umständen, wobei er vielleicht Formeln gebraucht wie: »Nichts
wird so schlimm oder so gut in der Welt, als es vorher aussieht.«56 »Man muß nicht im-
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Den Staat regieren, Völker kennen lehrt;
Er schätzt die Kunst, sofern sie ziert, sein Rom
Verherrlicht...
In seiner Nähe darf nichts müßig sein
Was gelten soll, muß wirken und muß dienen.«53
Drastisch formuliert den Gegensatz Marx: »Die Philosophen haben die Welt nur ver-
schieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.«54
Im Greifbaren, Tatsächlichen ist der Aktive verankert, in der Anschauung nicht je-
des beliebigen Gegenständlichen, sondern der gegenwärtigen Situation. Seine Natur
sind Wirklichkeitssinn, Sachlichkeit, Nüchternheit, Klarheit, Abschätzung der Kräfte
und Möglichkeiten. Nicht Grundprobleme beschäftigen ihn: Jeder Tag hat seine eige-
nen Sorgen.
2. Für den Aktiven ist immer Bewegung. Er gibt sich nie mit einem Zustand zufrie-
den. Ihm gilt: »Alles ist provisorisch in der Welt.«55 Der unendliche Fluß des wirkli-
chen Geschehens schafft immer neue Situationen, die der Aktive momentan erfaßt
und ergreift, während der Kontemplative, der Denkende sie anschaut, berechnet und
sie damit vorbeigehen läßt, um zu erfahren, daß eine Gelegenheit, nicht ergriffen, nie-
mals wiederkehrt.
3. Erfassen der Situation und Entscheiden bringt für den Aktiven spezifische Schwie-
rigkeiten und spezifische Qualitäten. Die Unendlichkeit der Realitäten und Möglich-
keiten jeder Situation ist nicht vollständig berechenbar. Das kontemplativ Erkenn-
bare ist wohl Mittel, aber nicht ausreichend. Soweit es jeweils Berechenbarkeit gibt,
ist sie in der besonnenen Aktivität (im Gegensatz zur kopflosen) wirksam, aber dar-
über hinaus bedarf es des entschiedenen Wollens, dessen zureichende Begründung
durch rationale Berechnung und Klarheit des Ziels eine Unmöglichkeit ist. Es ist der
ganz irrationale Faktor im Aktiven, der in der Entschiedenheit und Entschlußfähig-
keit auf tritt.
4. Um im Strom unendlichen Geschehens über das Berechnen und Denken hinaus
entschieden Stellung zu fassen und zu halten, | in einer Richtung klar einzugreifen, be- 54
darf es des Mutes, der in irgendeinem Vertrauen wurzelt: Auf eigene Kraft, auf das Fa-
tum, das Glück, auf die eigenen wachsenden, schaffenden Instinkte, auf Gottes Vor-
sehung usw. je nach dem Geistestypus, der dahinter steht. Nicht derjenige hat Mut,
der nicht denkt und nicht berechnet, dem das Erlebnis der Entscheidung fehlt, oder
der fälschlicherweise alles für völlig berechnet, sicher, objektiv entschieden hält: zwar
ist das Denken und Berechnen, je vollendeter es geschieht, um so mehr zunächst An-
laß zur Furcht: wer zuviel weiß, zieht sich furchtsam von allem Handeln zurück. Aber
gerade er allein vermag das Erlebnis der mutigen aktiven Einstellung zu gewinnen. Er
verzagt unter keinen Umständen, wobei er vielleicht Formeln gebraucht wie: »Nichts
wird so schlimm oder so gut in der Welt, als es vorher aussieht.«56 »Man muß nicht im-