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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0166
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Psychologie der Weltanschauungen

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bende. - Die Arten des gegenständlichen Erfassens und ihr Verhältnis zu dem Erfaßten veran-
schaulicht das Gleichnis von den gefangenen Höhlenbewohnern: die Menschen sitzen gefan-
gen, unfähig den Kopf zu wenden, in einer Höhle, mit dem Rücken nach der breiten Öffnung
der Höhle gewandt. Draußen brennt ein helles Feuer, und zwischen Feuer und Höhle werden
Statuen, Bilder vorbeigetragen, gehen Gestalten, die sprechen. Und von allem fallen Schatten-
bilder auf den Grund der Höhle; und die Menschen lernen sie zu beobachten und zu erfahren,
in welcher Reihenfolge die Schatten für gewöhnlich erscheinen. Wird nun einer herausge-
schleppt aus der Höhle, so ist er geblendet und muß erst lernen, die Urbilder jener Schatten zu
sehen, aber nie mehr verlangt es ihn, sich mit jenen Schatten und ihrer Reihenfolge abzugeben.
In der Höhle aber sehnt er sich zurück nach den Urgestalten. Diese Urgestalten sind die Ideen,
die Schatten die Inhalte der bloßen sinnlichen Vorstellung. Vermöge der Anamnesis (Erinne-
rung) an die vor dem diesseitigen Gefangenenleben in der übersinnlichen Welt geschauten
Ideen vermag der Mensch auch in der Gefangenschaft des »Lebens« zu jenen Ideen sich zu er-
heben, die er bei seinem »Aufenthalt oben« einst sah.63 - Die Unterscheidung der Vermögen ist
bei Plato nicht überall gleich; statt der zwei unterscheidet Plato auch drei oder sogar vier, doch
ist der Sinn ein gleichbleibender. Plato kennt zwei Arten des Schauens, das sinnliche und das
ideenhafte. Seine Zergliederungen sind zugleich erkenntnistheoretische (hinsichtlich der ob-
jektiven Bedeutung der Inhalte) und psychologisch - deskriptive (hinsichtlich der Erlebnisse
des Erkennenden).
Meister Eckhart64 lehrt von der einfachen Natur der Seele mehrere Kräfte, die niederen und
die höheren. Was das Auge sieht, was das Ohr hört, das bietet der Sinn zunächst dem Begehren
dar. Die Betrachtung bringt dieses zur Anschauung, die Unterscheidungsgabe des Verstandes läutert
es und bietet das Material so den oberen Kräften. Diese oberen Kräfte gliedern sich wiederum:
das Gedächtnis bewahrt auf, die Vernunft durchdringt den Stoff und der Wille vollbringt. In die-
ser Übersicht sämtlicher, nicht nur der kontemplativen, Einstellungen sind für uns hier wich-
tig die Gegenüberstellung von Anschauung (Material gebend), Verstand (scheidend), Vernunft
(durchdringend). Das Wesen der Vernunft (wie es später bei Kant wiederkehrt) ist durch fol-
gende Sätze charakterisiert: »Die Dinge, die jetzt für uns zu hoch sind, die bemerkt die Vernunft
doch.« »Die Vernunft ist nach außen gewendet: sie hört und vernimmt; daran vollzieht sie dann
ihr Scheiden, Ordnen und Setzen. Aber wenn sie auch ihrem Werke in der höchsten Vollendung
obliegt, so hat sie dennoch immer noch etwas über sich, was sie nicht zu ergründen vermag.
Aber immerhin erkennt sie doch, daß da noch etwas Übergeordnetes ist. Dies nun tut sie | dem
Willen kund ...«6s Durch diesen Hinweis gibt das Erkennen dem Willen einen Aufschwung und
versetzt ihn in das Übergeordnete hinein. So entsteht der letzte und eigentliche kontemplative
Zustand, der des individuellen Vergehens im Schauen des Grundes, der echt mystische Zustand.
Spinoza kennt drei Erkenntnisgattungen. In der ersten Gattung (Meinung oder Vorstellung)
werden Einzeldinge durch die Sinne verworren, verstümmelt und ohne Ordnung vergegenwär-
tigt, oder wir erinnern uns beim Hören und Lesen von Worten solcher Einzeldinge. In der zwei-
ten Gattung (Vernunft) werden Gemeinbegriffe und adäquate Vorstellungen von den Eigenschaf-
ten der Dinge gebildet. Es wird berechnet, erschlossen. In der dritten Gattung (dem anschauenden
Wissen) wird vom Begriffe zur adäquaten Erkenntnis der Wesenheit der Dinge fortgeschritten.
Die Dinge werden sub specie aeternitatis66 erfaßt. In zweierlei Art werden nämlich die Dinge als
wirklich begriffen: als in Beziehung auf eine gewisse Zeit und einen gewissen Ort als existierend

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