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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0244
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Psychologie der Weltanschauungen

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Wahre. Ilepaq ist besser als aneipov.162 Für Giordano Bruno, für die Romantiker, für
Kant ist das Unendliche das Eigentliche, das, was Schwung gibt, in das zu versinken
der Enthusiasmus ist. Hegel, der auch hier das Lebendige begreift, und es doch in Be-
griffe erschöpfend einfangen will, lehrt die wahre Unendlichkeit gegen die schlechte,
d.h. die Unendlichkeit gegen die Endlosigkeit. Diese wahre Unendlichkeit aber ist für
ihn da, ist selbst Form in sich, ist vollendet, ist das philosophische System und die ein-
zelne Idee. Damit ist aus dem anfänglichen Begreifen des Lebens der Wirkung nach
wieder Unlebendigkeit geworden, aus der Unendlichkeit wieder eine wenn noch so
verwickelte Endlichkeit. Das HEGELsche Weltbild ist in der Wirkung nicht mehr fak-
tische, sondern bloß ausgesprochene Unendlichkeit. Hegel hat wieder das griechi-
sche Weltbild rezipiert.
Schließlich heißt Differenzierung die Trennung der spezifischen, charakteristi-
schen, bestimmten Weltbilder voneinander, so daß sie nebeneinander oder überein-
ander in der Totalität des Weltbildes überhaupt getrennt zugleich und aufgehoben ste-
hen. Es kommt für | uns darauf an, die Sphären nach ihrer weltanschaulichen
Bedeutung zu trennen; die vielen rein intellektuellen, farblosen, wirkungslosen Un-
terscheidungen und Einzelbestimmungen sind gegenwärtig irrelevant.
Sehen wir uns die Gedanken über die letzten Teilungen der Weltbilder an, so kehrt
seit Jahrtausenden eine Dreiteilung wieder, die gewiß nicht einfach, sondern vieldeu-
tig ist, die immer wieder aufgelöst wird, aber immer neu emportaucht; die ganz trivial
und ganz tief gemeint sein kann. Stellen wir die bloßen Bezeichnungen einfach unter-
einander, die irgendwie Analoges treffen:
Welt; Seele; Gott. - Objekt; Subjekt; Einheit von Subjekt und Objekt. - Das Dritte
ist das Absolute, das Metaphysische oder das Ganze. Die ersten beiden Reiche lassen
sich unter viele Wortpaare bringen, die allerdings keineswegs einerlei Sinn haben: Na-
tur; Geist. - Natur; Kultur. - Sein; Denken. - Sinnlich-räumlich; Verstehbar. - Äußeres;
Inneres. - Beziehungen im Außereinander; das Äußere wird innerlich. - Notwendig-
keit; Freiheit. - Sinnfremd; Sinnhaft.
In dieser Teilung findet sich das Vehikel aller unserer Grundteilungen wieder, das
Begriffspaar Subjekt-Objekt. Neben dem Objekt steht das Subjekt als Inhalt des Welt-
bilds und über beiden das Absolute als Einheit vom Subjekt und Objekt: das Totale.
Wir als psychologisch Betrachtende werden an einer Stelle uns selbst Objekt, in-
dem wir mit unserem psychologischen Weltbild unseren Ort bekommen. Das ist mög-
lich, weil wir ja als betrachtende Subjekte keinen endgültigen, sondern einen ver-
schieblichen Subjektsstandpunkt einnehmen und so auch unser Standpunkt selbst
wieder zum Objekt werden kann: Wo wir eben als Subjekte standen, das ist dann un-
ser Objekt. Das Subjekt überhaupt ist selbst eine Sphäre des Weltbildes.
Die aufgeführte Teilung, sich verfeinernd, vervielfältigend, wiederzusammenflie-
ßend, die Typen reinigend und wieder bereichernd, scheint unzerstörbar als eine Tei-
lungsmöglichkeit. Dem folgenden ist sie zugrunde gelegt. Sie ist anschaulich nach dem

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