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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0282
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Psychologie der Weltanschauungen

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Nicht alles Individuelle und Charakteristische ist aber nach Goethe dämonisch: Das Dämo-
nische »wirft sich gern in bedeutende Individuen, vorzüglich wenn sie eine hohe Stellung ha-
ben« ..?).214 »Je höher ein Mensch, desto mehr steht er unter dem Einfluß der Dämonen.«U)2IS So
tritt der Mensch und sein Dämonisches sich gegenüber: Er »muß nur immer aufpassen, daß sein lei-
tender Wille nicht auf Abwege gerät«“).216 wenn der Mensch unter dämonischem Einfluß steht. -
Goethe fordert, es komme darauf an, daß unsere bessere Natur sich kräftig durchhalte und den
Dämonen nicht mehr Gewalt einräume, als billig™).217 - »Es muß der Mensch auch wiederum ge-
gen das Dämonische recht zu behalten suchen«* * * * v * *).218 - Aber auch umgekehrt heißt es: »Des Men-
schen Verdüsterungen und Erleuchtungen machen sein Schicksal! Es täte uns not, daß der Dä-
mon uns täglich am Gängelbande führte und uns sagte und triebe, was immer zu tun sei. Aber
der gute Geist verläßt uns, und wir sind schlaff und tappen im Dunkeln«' ').211'
Von einzelnen Menschen hat Goethe Friedrich und Peter den Grossen, Napoleon, Karl
August, Byron, Mirabeau dämonisch genannt. Von sich selbst sagt er: »In meiner Natur liegt
es nicht, aber ich bin ihm unterworfen«™).220
Napoleon: »Er war es durchaus, im höchsten Grade, so daß kaum ein anderer ihm zu ver-
gleichen ist«viii)-221 »Da war Napoleon ein Kerl! Immer | erleuchtet, immer klar und entschieden, 196
und zu jeder Stunde mit der hinreichenden Energie begabt, um das, was er als vorteilhaft und
notwendig erkannt hatte, sogleich ins Werk zu setzen. Sein Leben war das Schreiten eines Halb-
gottes von Schlacht zu Schlacht und von Sieg zu Sieg. Von ihm könnte man sehr wohl sagen,
daß er sich im Zustande einer fortwährenden Erleuchtung befunden ,..«ix)222
Karl August:223 »Auch der verstorbene Großherzog war eine dämonische Natur, voll unbe-
grenzter Tatkraft und Unruhe, so daß sein eigenes Reich ihm zu klein war, und das Größte ihm
zu klein gewesen wäre.«x)224 »Beim verstorbenen Großherzog war es in dem Grade, daß niemand
ihm widerstehen konnte. Er übte auf die Menschen eine Anziehung durch seine ruhige Gegen-
wart, ohne daß er sich eben gütig und freundlich zu erweisen brauchte. Alles, was ich auf sei-
nen Rat unternahm, glückte mir, so daß ich in Fällen, wo mein Verstand und meine Vernunft
nicht hinreichte, ihn nur zu fragen brauchte was zu tun sei, wo er es dann instinktmäßig aus-
sprach und ich immer im Voraus eines guten Erfolges gewiß sein konnte. Ihm wäre zu gönnen
gewesen, daß er sich meiner Ideen und höheren Bestrebungen hätte bemächtigen können; denn
wenn ihn der dämonische Geist verließ und nur das Menschliche zurückblieb, so wußte er mit
sich nichts anzufangen und er war übel daran«xi).22S
Mirabeau226 »hatte vollkommen recht, wenn er sich der äußeren Welt und ihrer Kräfte be-
diente, wie er konnte. Er besaß die Gabe, das Talent zu unterscheiden, und das Talent fühlte sich
von dem Dämon seiner gewaltigen Natur angezogen, so daß es sich ihm und seiner Leitung völ-

vi
vii
viii
ix
xi

ii
iii
iv

II, 207.
II, 62.
II, 62.
11,64.
II, 217.
III, 159-
II, 204.
II, 204.
III, 159-
II, 204.
II, 208.
 
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