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Psychologie der Weltanschauungen
und der Versteinerungen usw. führen, daß es jeweils zwischen zwei Möglichkeiten ver-
läuft, die selbst nicht das Leben als Ganzes, auch zusammen als Summe nicht das
Ganze, auch durch ihr Mittleres nicht das Ganze sind, sondern die Abfälle des Lebens
in Teilentwicklungen, Losgelöstheiten, Sackgassen.
Je umfassender, mannigfaltiger die Gegensätze sind, desto intensiver die Bewegung
des Geistes. Das gilt für den einzelnen Menschen und die gesamte Kultur. Das kultu-
relle Dasein ist überall da am lebendigsten, wo die Gegensätze bleiben und nicht zu-
gunsten einer Form ausgeglichen werden und verloren gehen. Das Staatswesen ist das
345 Lebendigste, das heterogenste Kräfte zusammen ertragen und | meistern kann, ohne
einer die endgültige Oberhand zu geben. Die Kultur ist die bewegteste, die die tiefsten
Gegensätze als Probleme erfährt. Die neuere europäische Kultur, die in der Polarität:
Christentum und Griechentum existierte, hat in ihren Spitzen eine bewegte Geistig-
keit hervorgebracht, der gegenüber uns trotz größter Bewunderung jedes Griechische
und jedes bloß Christliche primitiv erscheint.
Die Bewegung des Geistes durch die Antinomik bleibt, solange die Subjekt-Objekt-
spaltung besteht. Da aber der Geist innerhalb dieser Spaltung in grenzenloser Bewe-
gung immer wieder relativiert und überwindet, da er alle geschaffene Begrenzung, so-
fern sie sich nach Ablauf der Schöpfung als endgültig gibt, wieder aufhebt, da er in
seinem Lauf jede Position, indem er sie in sich aufnimmt, auch wieder verläßt, so ist
er als unendlicher zugleich über die Subjekt-Objektspaltung hinaus. Er macht fortwäh-
rend die Bewegung zur Klarheit und Durchsichtigkeit in der Subjekt-Objektspaltung -
dieser Klarheitsdrang ist seine Feindschaft gegen alles Dunkle, Schwärmerische, das
im Qualm der Undurchsichtigkeit sich wohl fühlt -, aber er hat doch zum Ausgangs-
punkt, wie zum Ende das Mystische. Während die festen Gehäuse als Letztes etwas greif-
bares Absolutes geben, ist ihm die Unendlichkeit als mystische Erfahrung gegenwär-
tig, in der die Subjekt-Objektspaltung aufgehoben ist. Das Mystische ist ihm Quelle,
aus der die Bewegungen zur Klarheit ihre Materie haben, das Mystische ist nach aller
Bewegung das Einzige, in dem Absolutes - nicht als Gegenstand - gleichsam ergriffen
wird. Von diesen Grenzen, die die ganzen Sphären der Subjekt-Objektspaltung als das
Mystische umschließen, in das der Geist sich nicht flüchtet, aber durch das hindurch
er in seiner Bewegung immer wieder seine Kreise findet, fällt ein unaussprechliches
Licht, ein unformulierbarer und immer zur Form drängender Sinn auf alles Einzelne
innerhalb der Spaltung. Dieses wird Symbol, Gleichnis und will doch vermöge unend-
lichen Klarheitswillens - der wesentlich geistig ist - immerfort aufhören, bloß dieses
zu sein.
4. Disposition für die Charakteristik einzelner Gestalten des Geistes.
Die letzten Erörterungen sollen uns zum Grunde einer Einteilung der Formulierun-
gen dienen, die sich auf Gestalten des lebendigen Geistes beziehen. Der Geist soll zu-
erst betrachtet werden als Prozeß zwischen Gegensätzen, gleichsam auf dem Grat zwi-
Psychologie der Weltanschauungen
und der Versteinerungen usw. führen, daß es jeweils zwischen zwei Möglichkeiten ver-
läuft, die selbst nicht das Leben als Ganzes, auch zusammen als Summe nicht das
Ganze, auch durch ihr Mittleres nicht das Ganze sind, sondern die Abfälle des Lebens
in Teilentwicklungen, Losgelöstheiten, Sackgassen.
Je umfassender, mannigfaltiger die Gegensätze sind, desto intensiver die Bewegung
des Geistes. Das gilt für den einzelnen Menschen und die gesamte Kultur. Das kultu-
relle Dasein ist überall da am lebendigsten, wo die Gegensätze bleiben und nicht zu-
gunsten einer Form ausgeglichen werden und verloren gehen. Das Staatswesen ist das
345 Lebendigste, das heterogenste Kräfte zusammen ertragen und | meistern kann, ohne
einer die endgültige Oberhand zu geben. Die Kultur ist die bewegteste, die die tiefsten
Gegensätze als Probleme erfährt. Die neuere europäische Kultur, die in der Polarität:
Christentum und Griechentum existierte, hat in ihren Spitzen eine bewegte Geistig-
keit hervorgebracht, der gegenüber uns trotz größter Bewunderung jedes Griechische
und jedes bloß Christliche primitiv erscheint.
Die Bewegung des Geistes durch die Antinomik bleibt, solange die Subjekt-Objekt-
spaltung besteht. Da aber der Geist innerhalb dieser Spaltung in grenzenloser Bewe-
gung immer wieder relativiert und überwindet, da er alle geschaffene Begrenzung, so-
fern sie sich nach Ablauf der Schöpfung als endgültig gibt, wieder aufhebt, da er in
seinem Lauf jede Position, indem er sie in sich aufnimmt, auch wieder verläßt, so ist
er als unendlicher zugleich über die Subjekt-Objektspaltung hinaus. Er macht fortwäh-
rend die Bewegung zur Klarheit und Durchsichtigkeit in der Subjekt-Objektspaltung -
dieser Klarheitsdrang ist seine Feindschaft gegen alles Dunkle, Schwärmerische, das
im Qualm der Undurchsichtigkeit sich wohl fühlt -, aber er hat doch zum Ausgangs-
punkt, wie zum Ende das Mystische. Während die festen Gehäuse als Letztes etwas greif-
bares Absolutes geben, ist ihm die Unendlichkeit als mystische Erfahrung gegenwär-
tig, in der die Subjekt-Objektspaltung aufgehoben ist. Das Mystische ist ihm Quelle,
aus der die Bewegungen zur Klarheit ihre Materie haben, das Mystische ist nach aller
Bewegung das Einzige, in dem Absolutes - nicht als Gegenstand - gleichsam ergriffen
wird. Von diesen Grenzen, die die ganzen Sphären der Subjekt-Objektspaltung als das
Mystische umschließen, in das der Geist sich nicht flüchtet, aber durch das hindurch
er in seiner Bewegung immer wieder seine Kreise findet, fällt ein unaussprechliches
Licht, ein unformulierbarer und immer zur Form drängender Sinn auf alles Einzelne
innerhalb der Spaltung. Dieses wird Symbol, Gleichnis und will doch vermöge unend-
lichen Klarheitswillens - der wesentlich geistig ist - immerfort aufhören, bloß dieses
zu sein.
4. Disposition für die Charakteristik einzelner Gestalten des Geistes.
Die letzten Erörterungen sollen uns zum Grunde einer Einteilung der Formulierun-
gen dienen, die sich auf Gestalten des lebendigen Geistes beziehen. Der Geist soll zu-
erst betrachtet werden als Prozeß zwischen Gegensätzen, gleichsam auf dem Grat zwi-