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ZU DEN BRAHMI INSCHRIFTEN

OSKAR VON HINÜBER

Aus Oshibat sind knapp 230 Brähml-Inschriften bekannt. Etwa 50 von ihnen sind gänzlich undeutbar, da
sie unverständliche Silbenfolgen enthalten. Dazu kommen 31 Inschriften, die so stark beschädigt sind, daß
sich ihnen kein Sinn mehr abringen läßt. In elf Fällen kann man allenfalls noch ahnen, daß es sich um
Schatten ehemaliger Brähmi-Inschriften handeln könnte. Nach Abzug dieser 92 Inschriften ergibt sich ei-
ne Zahl von knapp 140 Inschriften. Einiges bleibt jedoch auch hier unklar oder unergiebig: vier Inschrif-
ten enthalten nur ein einziges Zeichen (18:201, 18:234, 28:38, 79:3) und fünf weitere nur das Wort vf.
Ferner sind fünf Inschriften zwar fragmentarisch lesbar, ohne daß sich die Reste jedoch zu einem sinnvol-
len Text zusammenfügen lassen. Dadurch schrumpft die Zahl der auswertbaren Inschriften auf gut 120.
Auch unter ihnen befinden sich etliche, die einer Deutung Widerstand entgegensetzen. Schließlich blei-
ben etwa 85 Texte, die verständliches oder in Ansätzen deutbares Material enthalten, so daß sich beinahe
zwei Dritteln des Materials kaum etwas abgewinnen läßt.
Es muß betont werden, daß alle diese Zahlen, einschließlich der Gesamtsumme der Inschriften, nur An-
näherungswerte darstellen können. Denn die Grenzen zwischen einer fast gänzlich abgeriebenen Inschrift
und einer zufälligen, natürlichen Zeichnung des Steins sind fließend. Gleiches gilt für die 'Pseudo-Schrift',
d.h. die Versuche von des Schreibens unkundigen Personen, Brähml-Zeichen nachzuahmen. Vermutete
Inschriften dieser 26 Nummern umfassenden Gruppe sind als 'Inschrift' ohne Angabe einer Schriftart ver-
zeichnet und bei der Feststellung der Gesamtzahl nicht berücksichtigt.
Aus diesem allgemein schlechten Erhaltungszustand des Materials ergibt sich geradezu der Zwang zu ei-
ner sehr konservativen, jeder Spekulation abgeneigten Lesung, so groß die Versuchung im Einzelfalle
auch sein mag, aus einer verschlungenen, wirren, vielleicht gar zufälligen Linienführung doch noch ein
verständliches Wort zu retten. Auch nach dem Ausscheiden von derartigen Zweifelsfällen bleibt das Ma-
terial spröde.
Dies liegt hauptsächlich an der Kürze der Inschriften, die durch die Struktur der altindischen Personenna-
men, als deren Normaltyp etwa gelten darf, vorgegeben ist. Zwei- bis sechssilbige Texte sind
die Regel, ganze, dazu noch verständliche Sätze die Ausnahme. Von jedem einzelnen Schreiber lernen
wir daher nur ein höchst beschränktes Zeicheninventar kennen. Vergleiche innerhalb derselben Hand-
schrift, um zwischen ähnlichen Zeichen wie va : ca, fa : aa, mitunter Ma : fa usw. eine Entscheidung zu
treffen, sind somit, von seltenen Glücksfällen abgesehen, ausgeschlossen. Wenn eine Zeichenfolge keinen
Sinn ergibt, eine Kontrolle des Gelesenen durch das Textverständnis also fehlt, wächst die Bandbreite der
Unsicherheit mit der Anzahl der Schriftzeichen.
Aus dieser Lage erwachsen nicht nur Deutungsprobleme für die einzelnen Inschriften, sondern vor allem
für die paläographische Beurteilung des Gesamtmaterials und damit für seine Datierung. Denn in Oshibat
hat sich keine datierte Brähml-Inschrift gefunden. Da sich aus der Repatinierung, wie zahlreiche Beispie-
le zeigen, keinerlei Rückschlüsse auf ein absolutes oder auch nur relatives Alter der Inschriften ziehen
lassen, bleibt als einziger Anhaltspunkt allein die Schrift. Sie deutet auf einen Zeitraum von etwa 350-650
n. Chr. für die weitaus meisten Inschriften; einzelne mögen jünger sein, kaum eine älter. Nur selten kann
 
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