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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0039
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18 Versuch einer Selbstkritik

sehen Geistesverfassung. Ferner sieht er im Mythus die bildhafte Repräsenta-
tion des in der Musik unbildlich Wahrgenommenen.
12, 24 der Sokratismus der Moral] In GT hatte N. Sokrates mit der Sphäre des
Verstandes und des Wissens verbunden, trotz des Junktims von Wissen und
Tugend kaum noch mit derjenigen der „Moral“. Diese bringt er hier zwar mit
der Gestalt des Sokrates, wie sie in den Dialogen Platons erscheint, zu Recht
zusammen, aber in einem ganz anderen Sinn als Platon: als Zeichen des Nie-
dergangs. Hiermit präludiert er die Ausführungen über eine lebensfeindliche
„Moral“ in Jenseits von Gut und Böse und Zur Genealogie der Moral. Vgl. 85,
7 f. und den Kommentar hierzu.
12, 24 f. die Dialektik [...] des theoretischen Menschen] Zur Dialektik vgl. 101,
5-7 und den Kommentar, zum „theoretischen Menschen“ vgl. 98, 9-23 und
den Kommentar.
12, 29f. Der epikurische Wille gegen den Pessimismus nur eine Vorsicht des
Leidenden.] Analog 17, 2 f. Vgl. hierzu den Überblickskommentar S. 8.
13, 3-5 Oh Sokrates, Sokrates [...] Oh geheimnissvoller Ironiker, war dies viel-
leicht deine - Ironie? —] Hauptanhaltspunkte für die ironische Geisteshaltung
des Sokrates sind zwei Stellen in Platons Schriften, die dem Sokrates ausdrück-
lich einen „ironischen“ Habitus und ein „ironisches“ Verfahren in seiner philo-
sophischen Gesprächsführung zuschreiben: in Symposion 216e, 218d und Poli-
teia I, 337a. Kierkegaard stellte die These auf: „Sokrates hat als erster die Ironie
eingeführt“ (Über den Begriff der Ironie in ständiger Rücksicht auf Sokrates,
1841, These 10).
13, 7 Ein Problem mit Hörnern] Anspielung auf die „Hörner“ als Terminus aus
der Logik. Er meint die beiden gleichermaßen widersprüchlichen Konsequen-
zen eines logischen Dilemmas, das sich aus der Annahme zweier einander
ausschließender Sätze ergibt. Bereits im sophistischen Disput diente das Auf-
werfen eines Dilemmas dazu, den Gegner argumentativ „auf die Hörner zu
spießen“, d. h. in Widersprüche zu verwickeln.
13,10-12 das Problem der Wissenschaft [...] Wissenschaft zum ersten
Male als problematisch, als fragwürdig gefasst.] Sokrates erscheint in GT als
„Typus des theoretischen Menschen“ (98, 9 f.), der auf seinen „Verstand“, auf
sein „logisches“ Vermögen vertraut und die Erkenntnis und das „Wissen“ hoch
schätzt. N. ordnet ihn sogar schon der „Wissenschaft“ zu (99 f.). Doch wird
klar, daß er dabei an die „erstaunlich hohe Wissenspyramide der Gegenwart“
(100, 6) denkt und das „Problem“ für ihn bereits im Horizont der Decadence
steht. Die Behauptung, in GT habe er „Wissenschaft zum ersten Male als pro-
blematisch, als fragwürdig gefasst“, trifft nicht zu. An prominenter Stelle, im
 
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