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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0603
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Stellenkommentar UB II HL 10, KSA 1, S. 332 577

entierung bestimmt, die auch in N.s Umfeld sehr präsent war. So verfasste der
mit N. befreundete Theologe Franz Overbeck in der gleichen Zeitphase, in der
auch N.s UB I DS entstand, sein theologiekritisches Werk Ueber die Christlich-
keit unserer heutigen Theologie. Streit- und Friedensschrift (Leipzig 1873). Vgl.
detailliertere Angaben dazu in Kapitel 1.1 des Überblickskommentars zu
UB I DS. Dass Overbecks Buch in N.s Freundeskreis als „Zukunftstheologie“
galt, zeigen briefliche Äußerungen (vgl. KSB 4, Nr. 307, S. 149). - Richard Wag-
ner entfaltete schon Jahrzehnte vor seiner Freundschaft mit N. emphatische
Zukunftsvisionen, wie bereits die Titelwahl für seine Schriften Das Kunstwerk
der Zukunft von 1849 (GSD III, 42-177) und „Zukunftsmusik“ von 1860 (GSD VII,
87-137) erkennen lässt. Zuvor war der Begriff,Zukunftsmusik4 bereits in einem
aktuellen Diskurs zum Schlagwort avanciert (vgl. dazu NK 481, 12). - Der Idee
der ,Zukunft4 kommt nicht nur in bestimmten Textpartien von UB II HL, son-
dern auch in der gesamten Schlusspassage von UB IV WB (KSA 1, 504-510)
eine leitmotivische Funktion zu. Zur fundamentalen Bedeutung des Motivs der
Hoffnung und zum Stellenwert von Zukunftsperspektiven vgl. auch das Kapitel
II.3 des Überblickskommentars sowie NK 295, 4-7 und NK 312, 1-6.
332, 19-23 wo sie wieder gesund genug sein werden, von Neuem Historie zu
treiben und sich der Vergangenheit unter der Herrschaft des Lebens, in jenem
dreifachen Sinne, nämlich monumental oder antiquarisch oder kritisch, zu bedie-
nen] Hier nimmt N. im Rückblick summarisch auf die „Dreiheit von Arten der
Historie“ Bezug (258, 9), die er im 2. und 3. Kapitel der Historienschrift ausführ-
lich dargestellt hat (258-270). Im Zusammenhang mit N.s Vorstellung von einer
,lebensdienlichen Historie4 stellt sich auch die Frage, ob sie durch die Überwin-
dung der historischen ,Krankheit4 nicht zugleich obsolet werden kann: Wie
also ließe sich der Nutzen der dreifachen Funktionalisierung der Geschichte in
Gestalt der monumentalischen, antiquarischen und kritischen Historie noch
sinnvoll begründen, wenn nach dem Gesundungsprozess das konstitutive Ver-
hältnis zur historischen ,Krankheit4 entfällt? (vgl. dazu Katrin Meyer 1998, 189
mit Verweis auf Hans Freier 1984, 320-363). Freier sieht die Typen der Historie
bei N. zu „Asylen mythischer und künstlerischer Formen des Überhistori-
schen“ werden (ebd., 326).
Während die triadische Typologie der Historie zumeist „als Herzstück“ von
UB II HL angesehen wird (vgl. Katrin Meyer 1998, 154), hält Kaufmann statt-
dessen das ,Historische4, ,Unhistorische4 und ,Überhistorische4 für „Schlüssel-
begriffe der Abhandlung“ und betrachtet „die bekannten Kategorien ,monu-
mentalisch4, antiquarisch4 und ,kritisch4“ sogar als „ziemlich nebensächlich“
(Kaufmann 1982, 167). Im Laufe der facettenreichen Rezeptionsgeschichte von
UB II HL wurden unterschiedliche Zuordnungen von N.s Historientypologie zu
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vorgeschlagen. Während Heidegger in
 
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