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Scheibenberger, Sarah; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,3): Kommentar zu Nietzsches "Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69927#0044
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II Stellenkommentar
Der Titel
873, 1-4 Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne) Während der
Entstehungszeit von WL notiert N. programmatisch verknappt: „Wahrheit und
Lüge physiologisch" (NL 1872/73, KSA 7, 19[102], 452, 21), womit er Wahrheit
und Lüge als dezidiert nicht-moralische, vielmehr prä-moralische, nämlich als
(nicht im positivistischen Sinne) in der menschlichen Physis begründete Phä-
nomene verstanden wissen will. N.s Wahrheitsbegriff ist vielschichtig. Schon
in WL lassen sich verschiedene Aspekte für die Begriffsverwendung unterschei-
den: N. formuliert die erkenntnistheoretische Frage nach der Bedingung der
Möglichkeit von Wahrheit, stellt aber überdies das Problem der Herkunft und
der Genealogie des Wahrheitstriebes in den Vordergrund, womit er subversive
Zeit- und Kulturkritik übt. Sein Hauptaugenmerk liegt aber auf der Frage nach
Wert und lebensweltlichem Nutzen von Wahrheit und Wahrheitstrieb.
In JGB definiert er den Begriff des „Aussermoralischen" in Abgrenzung
zum „Vormoralischen" und „Moralischen" als negative heuristische Bezeich-
nung einer historischen Wendemarke. Während N. zufolge in der „vormora-
lische[n] Periode der Menschheit" (JGB 32, KSA 5, 50, 17-18) der Wert von
Handlungen an ihren Folgen gemessen wurde, führte ein Perspektivenwechsel
in der „moralischen" Episode der Menschheit dazu, dass Handlungen künftig
ihren Wert aus ihrer „Herkunft" und „Absicht" bezogen (JGB 32, KSA 5, 51,
2). „Heute" aber seien wir „bei der Nothwendigkeit angelangt [...], uns noch-
mals über eine Umkehrung und Grundverschiebung der Werthe schlüssig zu
machen [...] - sollten wir nicht an der Schwelle einer Periode stehen, welche,
negativ, zunächst als die aussermoralische zu bezeichnen wäre" (JGB 32,
KSA 5, 51, 8-13).
Den Ausdruck „aussermoralisch" konnte N. z. B. auch in seiner Ausgabe
von Friedrich Ueberweg, Grundriß der Geschichte der Philosophie von Thales
bis auf die Gegenwart. Dritter Theil: Die Neuzeit, Berlin 1866, 197, finden. In
Anlehnung an Kants Religionskritik bezeichnet Ueberweg mit dem Begriff des
„Aussermoralischen" sich „innerhalb der Grenzen der Vernunft" (Ueberweg
1866, 197) befindende „menschliche Verunstaltungen der rein moralischen Re-
ligion" (Ueberweg 1866, 197).
1.
875, 2-11 In irgend einem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensyste-
men flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge
 
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