Stellenkommentar WL 1, KSA 1, S. 878 41
13), führt er bereits in diesem Passus in den wesentlichen Punkten ein. Ur-
sprung der Sprache, so die sinnesphysiologische Erklärung, ist die unbewusste
„ganz subjektive Reizung" (878, 29), die eine bestimmte physische Verfasstheit
des Individuums voraussetzt. Die Reizung als Einwirkung der Objekte auf die
Sinnesorgane zu verstehen, die eine Reaktion des Menschen auf die Welt zur
Folge hat, würde nach N. dem Verhältnis zwischen Welt und Ich jedoch Kausa-
lität unterstellen, also eine anthropomorphe Abstraktionskategorie - den „Satz
vom Grunde" (878, 24-25) - als wirkliches Verhältnis missdeuten. Auch das
Verhältnis zwischen Reiz und Laut ist eines zwischen zwei materialiter völlig
getrennten Sphären. Die Übersetzungsvorgänge zwischen diesen Sphären
problematisiert Gerber ausführlich: „Müsste nicht, wenn vollkommene, genaue
Wiedergabe stattfinden sollte, vor Allem das Material, in welchem wiedergege-
ben werden soll, dasselbe sein, wie dasjenige ist, in welchem die Seele arbei-
tet? Da es nun aber ein fremdes ist, - der Laut - wie kann da Genaueres he-
rauskommen, als ein Bild?" (SK, 159; N. übernimmt diese Passage nahezu
identisch in seine Rhetorik-Vorlesung, vgl. KGW 11/4, 426) Gerber folgert: „Wir
fassen also nicht Dinge auf, oder Vorgänge, sondern Reize; wir geben nicht
Empfindungen wieder, sondern Bilder von Empfindungen" (SK, 159). Nicht nur
ist der Nervenreiz einem Gegenstand der Wahrnehmung nicht adäquat, auch
die „Abbildung eines Nervenreizes" (878, 22) findet im Laut als in einem ande-
ren Material statt. Vgl. Aristoteles, De interpretatione, 16a 3-4: „eori pev ovv
toi ev Tfj(pwvfj twv ev Tn ^xn naOqpdTwv ovpßoÄa" („Es ist nun also das zur
Sprache Gekommene Ausdruck von Vorgängen im innern Bewußtsein", Über-
setzung von Zekl 1998, 97; vgl. Tomatis 2006, 127).
878, 27-29 wie dürften wir doch sagen: der Stein ist hart: als ob uns „hart"
noch sonst bekannt wäre und nicht nur als eine ganz subjektive Reizung!] N.
führt dieses Beispiel, das neben einer Reihe weiterer illustrieren soll, wie belie-
big die Sprache allgemeine Bezeichnungen generiert, auch schon in § 3 der
Darstellung der antiken Rhetorik zur Illustration der Operationsweise der Meto-
nymie an (vgl. KGW 11/4, 427). N. greift hier abermals auf Gerber zurück: „wir
sagen: der Stein ist hart, als ob die Härte etwas Anderes wäre, als ein Urtheil
von uns [...] lauter Uebertragungen von unserer Auffassung auf die Wesenheit
der Dinge, nach einem, wie wir annehmen, selbstverständlichen Schlüsse zu
rechtfertigen" (SK, 384). Ferner konnte er dieses Beispiel bei Lichtenberg 1867,
Bd. 1, 87, finden: „Wenn ich sage: dieser Stein ist hart - also erst den
Begriff Stein, der mehreren Dingen zukommt, diesem Individuo beilege; als-
dann von Härte rede, und nun gar das Hartsein mit dem Stein verbinde - so
ist dieses ein solches Wunder von Operation, daß es eine Frage ist, ob bei
Verfertigung manches Buches so viel angewandt wird".
13), führt er bereits in diesem Passus in den wesentlichen Punkten ein. Ur-
sprung der Sprache, so die sinnesphysiologische Erklärung, ist die unbewusste
„ganz subjektive Reizung" (878, 29), die eine bestimmte physische Verfasstheit
des Individuums voraussetzt. Die Reizung als Einwirkung der Objekte auf die
Sinnesorgane zu verstehen, die eine Reaktion des Menschen auf die Welt zur
Folge hat, würde nach N. dem Verhältnis zwischen Welt und Ich jedoch Kausa-
lität unterstellen, also eine anthropomorphe Abstraktionskategorie - den „Satz
vom Grunde" (878, 24-25) - als wirkliches Verhältnis missdeuten. Auch das
Verhältnis zwischen Reiz und Laut ist eines zwischen zwei materialiter völlig
getrennten Sphären. Die Übersetzungsvorgänge zwischen diesen Sphären
problematisiert Gerber ausführlich: „Müsste nicht, wenn vollkommene, genaue
Wiedergabe stattfinden sollte, vor Allem das Material, in welchem wiedergege-
ben werden soll, dasselbe sein, wie dasjenige ist, in welchem die Seele arbei-
tet? Da es nun aber ein fremdes ist, - der Laut - wie kann da Genaueres he-
rauskommen, als ein Bild?" (SK, 159; N. übernimmt diese Passage nahezu
identisch in seine Rhetorik-Vorlesung, vgl. KGW 11/4, 426) Gerber folgert: „Wir
fassen also nicht Dinge auf, oder Vorgänge, sondern Reize; wir geben nicht
Empfindungen wieder, sondern Bilder von Empfindungen" (SK, 159). Nicht nur
ist der Nervenreiz einem Gegenstand der Wahrnehmung nicht adäquat, auch
die „Abbildung eines Nervenreizes" (878, 22) findet im Laut als in einem ande-
ren Material statt. Vgl. Aristoteles, De interpretatione, 16a 3-4: „eori pev ovv
toi ev Tfj(pwvfj twv ev Tn ^xn naOqpdTwv ovpßoÄa" („Es ist nun also das zur
Sprache Gekommene Ausdruck von Vorgängen im innern Bewußtsein", Über-
setzung von Zekl 1998, 97; vgl. Tomatis 2006, 127).
878, 27-29 wie dürften wir doch sagen: der Stein ist hart: als ob uns „hart"
noch sonst bekannt wäre und nicht nur als eine ganz subjektive Reizung!] N.
führt dieses Beispiel, das neben einer Reihe weiterer illustrieren soll, wie belie-
big die Sprache allgemeine Bezeichnungen generiert, auch schon in § 3 der
Darstellung der antiken Rhetorik zur Illustration der Operationsweise der Meto-
nymie an (vgl. KGW 11/4, 427). N. greift hier abermals auf Gerber zurück: „wir
sagen: der Stein ist hart, als ob die Härte etwas Anderes wäre, als ein Urtheil
von uns [...] lauter Uebertragungen von unserer Auffassung auf die Wesenheit
der Dinge, nach einem, wie wir annehmen, selbstverständlichen Schlüsse zu
rechtfertigen" (SK, 384). Ferner konnte er dieses Beispiel bei Lichtenberg 1867,
Bd. 1, 87, finden: „Wenn ich sage: dieser Stein ist hart - also erst den
Begriff Stein, der mehreren Dingen zukommt, diesem Individuo beilege; als-
dann von Härte rede, und nun gar das Hartsein mit dem Stein verbinde - so
ist dieses ein solches Wunder von Operation, daß es eine Frage ist, ob bei
Verfertigung manches Buches so viel angewandt wird".