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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0027
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4 Die fröhliche Wissenschaft

tausende' braucht, um etwas zu werden. Woher nehme ich den Muth, ihn
auszusprechen!" (KSB 6/KGB III 1, Nr. 190, S. 159, Z. 34-41) Wie schon der
Hinweis auf „Jahrtausende" nahelegt, dürfte mit diesem Gedanken die ,ewige
Wiederkunft des Gleichen' gemeint sein, wie sie im vorletzten Abschnitt des
Vierten Buchs FW 341 in Form eines Gedankenexperiments gestaltet wird.
Wenngleich das noch nicht unter der prominenten Formel geschieht, so fin-
det sich diese doch bereits in einer auf „Anfang August 1881 in Sils Maria"
datierten Nachlass-Notiz (NL 1881, 11[141], KSA 9, 494, 19; zu N.s frühes-
ten Aufzeichnungen zur ewigen Wiederkunft im Vorfeld von FW vgl. Anseil-
Pearson 2005c).
Offenbar hatte N. den „Muth", jenen Gedanken „auszusprechen", doch
schon gefunden, und konnte auch darangehen, zumindest das geplante
„Buch 9" von ,Morgenröthe II', also das spätere Vierte Buch von FW, zu erstel-
len. Das handschriftliche Rohmaterial dazu lag ohnehin schon weitgehend in
den von N. benutzten Notizbüchern bereit. Zwar heißt es noch im Brief an
Franz Overbeck vom 29. Januar 1882: „Gestern sandte ich das neue Manuscript
an Hrn. Köselitz nach Venedig ab. Es fehlen noch das 9te und 10te Buch, welche
ich jetzt nicht mehr machen kann - es gehört frische Kraft dazu und tiefs-
te Einsamkeit" (KSB 6/KGB III 1, Nr. 192, S. 162, Z. 30-33). Trotzdem scheint N.
zu dieser Zeit bereits an der Zusammenstellung des vorletzten Buchs gearbeitet
zu haben; immerhin verschiebt er dessen Abschluss im selben Brief an Over-
beck auch nicht mehr strikt auf den nächsten Winter, sondern erwägt ihn be-
reits für den kommenden Sommer. Darüber hinaus spricht die Äußerung ge-
genüber Köselitz im Brief vom 5. Februar dafür, dass der Arbeitsprozess zu
diesem Zeitpunkt bereits im vollen Gange war, wenn es mit Bezug auf das im
Brief seines Freundes vom 31. Januar aufgeworfene Problem des „Causalitäts-
Sinnes" (KSB 6/KGB III 1, Nr. 195, S. 166, Z. 29) heißt: „Ich [...] muß Sie auf das
,9te Buch' der M(orgenröthe) verweisen, damit Sie sehen, daß ich am wenigs-
ten von den Gedanken abweiche, welche Ihr Brief mir darlegt" (KSB 6/KGB III 1,
Nr. 195, S. 167, Z. 33-37; um das Kausalitätsproblem geht es allerdings eher im
Dritten Buch, vgl. bes. FW 112, FW 127 und FW 217).
Die Vermutung, dass N. die Konzeption des späteren Vierten Buchs von FW
im Januar 1882 trotz anderslautender brieflicher Aussagen bereits in Angriff
genommen hatte, erhärtet sich durch den (schon in M III 6, 276, hier aber offen-
bar als eigenen Werktitel-Entwurf notierten) Untertitel „Sanctus Januarius"
und das gleichfalls auf den „Januar 1882" datierte Mottogedicht „Der du mit
dem Flammenspeere ..." (521, 2-11). Zumindest ergibt sich dadurch ein auffälli-
ger werkbiographischer Zusammenhang zwischen diesem Monat und FW IV.
N.s Briefe aus jener Zeit lassen erkennen, dass er den Januar 1882 als besonders
glückliche Zeit erlebte - oder wenigstens seinen Briefpartnern so schilderte.
 
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