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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0048
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Überblickskommentar 25

stärker mit künstlerischen bzw. literarischen Darstellungsformen experimentie-
renden Za zu fragen wäre. Während in Za die Grenze zwischen Lyrik und Prosa
vollends zu verwischen scheint - ganze Abschnitte kommen hier als „Lieder"
Zarathustras daher -, lässt sie sich im Fall von FW recht klar ziehen und das
quantitative Verhältnis entsprechend konkret beziffern: Nimmt man noch die
Motto-Verse zur Neuausgabe und zum Vierten Buch hinzu, enthält FW in der
Fassung von 1887 insgesamt 79 lyrische Texte sowie, neben den vier Abschnit-
ten der nachträglichen Vorrede, 383 meist kürzere, formal in sich geschlossene
und thematisch sehr vielfältige Texte in Prosa, die in der Forschung gemeinhin
als ,Aphorismen' bezeichnet werden, so dass sich FW, trotz des nicht unerheb-
lichen lyrischen Anteils, zugleich den sogenannten Aphorismenbüchern N.s
zuordnen lässt.
Doch inwiefern ist in Bezug auf die in FW enthaltenen Prosatexte von ei-
nem ,aphoristischen' Stil zu sprechen? Diese etablierte Genrebezeichnung, die
ihrerseits schon auf eine Darstellungsform zwischen Philosophie und Kunst
bzw. Literatur abzielt (vgl. etwa Lamping 1991, 27), kann sich immerhin auf N.
selbst berufen, der zwar nicht übermäßig oft, aber doch wiederholt und mit
Blick auf verschiedene seiner Werke in den 1880er Jahren von „Aphorismen-
Sammlung" (an Overbeck, 10.02. 1883, KSB 6/KGB III 1, Nr. 373, S. 326, Z. 42),
„Aphorismen-Form" (Brief an Elisabeth Nietzsche, Ende Juli 1883, KSB 6/
KGB III 1, Nr. 444, S. 416, Z. 67 f.) oder „Aphorismen-Büchern" (KGW IX 4, W I6,
35, 12; vgl. NL 1885, 37[5], KSA 11, 579, 12) sprach. Die nach wie vor weit verbrei-
tete Rede von N.s ,aphoristischen Werken' zielt dabei zumeist auf jene Schrif-
ten ab, in denen er sich nicht, wie im Frühwerk (vgl. GT u. UB) und dann
in eigener Weise wieder im Spätwerk (vgl. GM u. AC) der - wenngleich stets
kleinteiligen - Abhandlungsform bediente, also primär auf die ,mittleren' Bü-
cher MA, M und FW. Aber auch in Bezug auf JGB wird oft global von Aphoris-
men gesprochen, obwohl N. hier selbst eine neue Darstellungsform gefunden
zu haben glaubte, zum Teil auch schon wieder über mehrere Abschnitte konti-
nuierlich fortlaufende Gedankengänge entwickelte und dabei insgesamt, an-
ders als bei den drei genannten Werken, auf eigene Überschriften für die Ein-
zeltexte verzichtete (vgl. NK 5/1, S. 19 f. u. 25-27). Aber ebenfalls hinsichtlich
dieser drei Werke, die sich, abgesehen von der lyrischen Einleitung bzw. Rah-
mung als Alleinstellungsmerkmal von FW, in ihrem formalen Aufbau stark äh-
neln, ist die Rubrizierung als ,Aphorismenbücher' nicht unproblematisch -
selbst wenn man sich nicht, wie gemeinhin üblich, an heutigen Definitionen,
sondern mit gattungshistorisch geschärftem Bewusstsein an geläufigen Be-
stimmungen des Aphorismus-Begriffs im 19. Jahrhunderts orientiert, die davon
nicht unerheblich abweichen und von denen entsprechende Artikel in den ver-
schiedenen Auflagen einschlägiger Konversationslexika Konzentrate bieten.
 
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