38 Die fröhliche Wissenschaft
reflektiert aber die strukturellen Veränderungen bzw. Ergänzungen dieser Neu-
ausgabe mit, in der FW aus einer „Vorrede", einem lyrischen „Vorspiel", fünf
,Büchern' und einem lyrischen „Anhang" besteht.
Sieht man einmal vom Titelblatt ab, dessen Umgestaltung eine eigene Be-
trachtung verdient, die allerdings dem Stellenkommentar überlassen bleibt,
dann bildet also die 1887 hinzugekommene „Vorrede" als derart gekennzeichne-
ter Paratext den ersten Werkteil, auf den freilich nicht gleich der ,aphoristische'
Haupttext, sondern mit FW Vorspiel ein zweiter Paratext folgt, der 1882 noch an
erster Stelle stand. Die aus vier Abschnitten bestehende „Vorrede zur zweiten
Ausgabe", die schon durch diesen Titel ihre Nachträglichkeit zu erkennen gibt,
thematisiert denn auch im Rückblick die (vorgeblichen) Entstehungsumstände
des fünf Jahre zuvor erstmals erschienenen Werks, das sich einem nachdrückli-
chen Genesungs- bzw. Hoffnungserlebnis verdanke, von dem auch die „Lieder
des Prinzen Vogelfrei" zeugen (Abschnitt 1). Hiervon ausgehend, nimmt die Vor-
rede zunächst die Bedeutung von Krankheit und Gesundheit für die Philosophie
überhaupt (Abschnitt 2) sowie insbesondere die verwandelnde, vertiefende Wir-
kung des selbst erlittenen ,großen Schmerzes' und damit den philosophischen
Wert der Krankheit (Abschnitt 3) in den Blick. Zuletzt wird dann der philosophi-
schen Suche nach absoluter Wahrheit eine entschiedene Absage erteilt und
stattdessen ein zukunftsorientiertes Bekenntnis zu einem ,aus Tiefe oberflächli-
chen' Schein der schönen Kunst abgelegt (Abschnitt 4).
In der Erstausgabe wurde FW durch das den Titel einer kurzen Komödie
Goethes zitierende Vorspiel „,Scherz, List und Rache.'" eröffnet, das in der
Neuausgabe gleichsam an die Stelle einer ,zweiten Vorrede' rückt. Es besteht
aus 63 kurzen Gedichten mit unterschiedlichen Strophenformen, die zwischen
zwei und zehn Versen umfassen, oft sinnspruchartigen Charakter haben und
von N. selbst als „Epigramme" bezeichnet wurden. Wichtige Motive des Zyklus
bilden die poetologische (Selbst-)Reflexion des Schreibprozesses und der Re-
zeptionsbedingungen (Nr. 1, 7, 23, 52, 54, 56, 59). Metaphorisch thematisiert
werden - teilweise in Verbindung mit dem zentralen Sujet des Schreibens und
Lesens - physiologische Vorgänge wie Essen, Trinken und Verdauen (Nr. 1, 8,
10, 24, 35, 39, 54), unterschiedlichste (Fort-)Bewegungsarten wie Segeln (Nr. 2),
Graben (Nr. 3), Gehen/Laufen (Nr. 5, 7, 12, 52), Steigen (Nr. 6, 16, 26, 47), Krie-
chen (Nr. 8), Bücken (Nr. 9), Fallen (Nr. 10, 25, 44, 58), Rollen (Nr. 10, 29, 63),
Tanzen (Nr. 13, 28), Wandern (Nr. 27) und Reisen (Nr. 37). Mit diesen Vorgän-
gen und Bewegungen, durch die der Gedichtzyklus insgesamt einen stark kör-
perlich-dynamischen Eindruck erzeugt (vgl. Benne 2015a, 38 f.), sind neben
den poetologischen Reflexionen auch solche verknüpft, die auf die Themen-
komplexe Tugend/Moral und Affekte/Ansehen (Nr. 5, 17, 18, 43, 63), Ich und
Mitmensch (Nr. 14, 20, 25, 26, 30, 33), Mann und Frau (Nr. 19, 22, 50) abzielen.
reflektiert aber die strukturellen Veränderungen bzw. Ergänzungen dieser Neu-
ausgabe mit, in der FW aus einer „Vorrede", einem lyrischen „Vorspiel", fünf
,Büchern' und einem lyrischen „Anhang" besteht.
Sieht man einmal vom Titelblatt ab, dessen Umgestaltung eine eigene Be-
trachtung verdient, die allerdings dem Stellenkommentar überlassen bleibt,
dann bildet also die 1887 hinzugekommene „Vorrede" als derart gekennzeichne-
ter Paratext den ersten Werkteil, auf den freilich nicht gleich der ,aphoristische'
Haupttext, sondern mit FW Vorspiel ein zweiter Paratext folgt, der 1882 noch an
erster Stelle stand. Die aus vier Abschnitten bestehende „Vorrede zur zweiten
Ausgabe", die schon durch diesen Titel ihre Nachträglichkeit zu erkennen gibt,
thematisiert denn auch im Rückblick die (vorgeblichen) Entstehungsumstände
des fünf Jahre zuvor erstmals erschienenen Werks, das sich einem nachdrückli-
chen Genesungs- bzw. Hoffnungserlebnis verdanke, von dem auch die „Lieder
des Prinzen Vogelfrei" zeugen (Abschnitt 1). Hiervon ausgehend, nimmt die Vor-
rede zunächst die Bedeutung von Krankheit und Gesundheit für die Philosophie
überhaupt (Abschnitt 2) sowie insbesondere die verwandelnde, vertiefende Wir-
kung des selbst erlittenen ,großen Schmerzes' und damit den philosophischen
Wert der Krankheit (Abschnitt 3) in den Blick. Zuletzt wird dann der philosophi-
schen Suche nach absoluter Wahrheit eine entschiedene Absage erteilt und
stattdessen ein zukunftsorientiertes Bekenntnis zu einem ,aus Tiefe oberflächli-
chen' Schein der schönen Kunst abgelegt (Abschnitt 4).
In der Erstausgabe wurde FW durch das den Titel einer kurzen Komödie
Goethes zitierende Vorspiel „,Scherz, List und Rache.'" eröffnet, das in der
Neuausgabe gleichsam an die Stelle einer ,zweiten Vorrede' rückt. Es besteht
aus 63 kurzen Gedichten mit unterschiedlichen Strophenformen, die zwischen
zwei und zehn Versen umfassen, oft sinnspruchartigen Charakter haben und
von N. selbst als „Epigramme" bezeichnet wurden. Wichtige Motive des Zyklus
bilden die poetologische (Selbst-)Reflexion des Schreibprozesses und der Re-
zeptionsbedingungen (Nr. 1, 7, 23, 52, 54, 56, 59). Metaphorisch thematisiert
werden - teilweise in Verbindung mit dem zentralen Sujet des Schreibens und
Lesens - physiologische Vorgänge wie Essen, Trinken und Verdauen (Nr. 1, 8,
10, 24, 35, 39, 54), unterschiedlichste (Fort-)Bewegungsarten wie Segeln (Nr. 2),
Graben (Nr. 3), Gehen/Laufen (Nr. 5, 7, 12, 52), Steigen (Nr. 6, 16, 26, 47), Krie-
chen (Nr. 8), Bücken (Nr. 9), Fallen (Nr. 10, 25, 44, 58), Rollen (Nr. 10, 29, 63),
Tanzen (Nr. 13, 28), Wandern (Nr. 27) und Reisen (Nr. 37). Mit diesen Vorgän-
gen und Bewegungen, durch die der Gedichtzyklus insgesamt einen stark kör-
perlich-dynamischen Eindruck erzeugt (vgl. Benne 2015a, 38 f.), sind neben
den poetologischen Reflexionen auch solche verknüpft, die auf die Themen-
komplexe Tugend/Moral und Affekte/Ansehen (Nr. 5, 17, 18, 43, 63), Ich und
Mitmensch (Nr. 14, 20, 25, 26, 30, 33), Mann und Frau (Nr. 19, 22, 50) abzielen.