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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0070
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Überblickskommentar 47

Programm einer freien Tanz-Kunst' ,,[z]wischen Gott und Welt" (651, 6) ent-
werfen, das in ein hehres „Sternen"-Pathos mündet (651, 30): Die „schönen
Lyrischen Gefühle'" sind - bei aller (Selbst-)Ironie und (Fremd-)Parodie - auch
diesem Dichter nicht ganz fremd.
5 N.s werkspezifische Äußerungen und der Stellenwert
von FW im Gesamtwerl<
N. selbst betonte bereits, was später zu einem Gemeinplatz der Sekundärlitera-
tur wurde, dass nämlich FW (in der ersten Ausgabe von 1882) eine mehrjährige
Schaffensperiode beendet habe, zu der auch die vorangehenden ,Aphorismen-
sammlungen' MA und Μ gehören. So schreibt er aus dem Thüringischen Tauten-
burg an Lou von Salome, nachdem „gerade der allerletzte Theil des Manuscrip-
tes [der Erstausgabe von FW] fertig geworden" war, damit sei zugleich „das
Werk von 6 Jahren (1876-1882), meine ganze ,Freigeisterei'!" zum Abschluss ge-
kommen; und er fügt noch hinzu, das Ende dieser ,freigeistigen' Schaffensperio-
de als Befreiung zu erleben: „Oh welche Jahre! Welche Qualen aller Art, welche
Vereinsamungen und Lebens-Überdrüsse! Und gegen Alles das, gleichsam ge-
gen Tod und Leben, habe ich mir diese meine Arznei gebraut, diese meine
Gedanken mit ihrem kleinen kleinen Streifen unbewölkten Himmels über
sich: - oh liebe Freundin, so oft ich an das Alles denke, bin ich erschüttert
und gerührt und weiß nicht, wie das doch hat gelingen können: Selbst-Mit-
leid und das Gefühl des Sieges erfüllen mich ganz. Denn es ist ein Sieg, und
ein vollständiger - denn sogar meine Gesundheit des Leibes ist wieder, ich
weiß nicht woher, zum Vorschein gekommen, und Jedermann sagt mir, ich
sähe jünger aus als je." (03.07. 1882, KSB 6/KGB III 1, Nr. 256, S. 217, Z. 8-21)
Mit diesen Worten, die motivisch bereits auf den mehr als vier Jahre später
in FW Vorrede 1 dargestellten Zusammenhang der Entstehung von FW mit ei-
nem Genesungserlebnis vorausweisen, wird das Ende der „Freigeisterei" mit-
hin als vollständiger Sieg' über Leiden und Einsamkeit gefeiert, ohne dass frei-
lich diese Leiden oder die „Freigeisterei" selbst näher charakterisiert würden.
Ebenso offen bleibt hier, was darauf in Zukunft folgen soll. Deutlich wird aller-
dings, dass N. mit diesen Worten ein Werkkontinuum herausstellt, das von FW
zurückreiche bis zum Beginn der Arbeit an MA, die nach dem Abschluss von
UB IV WB (1876) in Sorrent aufgenommen wurde. Der erste Teil von MA, an
dem N. seit Ende 1876 gearbeitet hatte, erschien zuerst im Mai 1878 und trug
den Untertitel „Ein Buch für freie Geister". Dieser Werkzusammenhang - Bru-
sotti 2016b, 199 spricht von einem „Zyklus" -, der eine ,freigeistige' Phase von
N.s Denken und Schreiben umspanne, wird ebenfalls im U4-Text für die
 
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