94 Die fröhliche Wissenschaft
Im Hinblick auf die Kunst postuliert auch im Fünften Buch das Ende von
FW 379 die ironische Selbstrelativierung, wenn es dort heißt, die Kunst sei
insofern zu schätzen, als sie „der Spott des Künstlers über sich selber ist" (632,
26). Die Überschrift dieses Abschnitts, „Zwischenrede des Narren", wel-
che die bei N. auch sonst (vor allem in poetisch-poetologischen Texten) des
Öfteren zu findende Rollen-Rede als ,Narr' aufgreift, zeigt zugleich an, dass die
programmatisch geforderte ,närrische' Selbstironie hier auch schon praktiziert
wird. Dazu passt ebenfalls, dass N. in einem Entwurf zur Vorrede der Neuaus-
gabe von FW zwischen Herbst 1885 und Herbst 1886 notiert: „Der ,Narr' in der
Form der Wissenschaft'" (KGW IX 5, W I 8, 63, 20 = NL 1885/86, 2[166], KSA 12,
150, 11 f.). Obwohl im Motto-Gedicht zur Neuausgabe von FW das lyrische Ich,
anders als etwa in FW Anhang Narr in Verzweiflung, nicht ausdrücklich in der
Rolle des Narren auftritt, verweist das Auslachen der nicht über sich selbst
lachenden „Meister" deutlich auf das ,närrische' Element einer „fröhlichen
Wissenschaft", die keine philosophischen Lehren präsentiert, die sich allzu
ernst nehmen. Dazu passt denn auch die nur vermeintliche Originalität des
eigenen ,Denkgebäudes'. Was das in den Versen 3 und 4 eingeforderte Lachen
über sich selbst bedeutet, verdeutlicht das Motto-Gedicht in den Versen 1 und
2 selbst bereits poetologisch, autoreflexiv und performativ: im Widerspiel von
Proklamation und Relativierung auktorialer Autonomie.
Im Hinblick auf den evolutionsbiologischen Grundsatz der Arterhaltung,
der ebenfalls mit einer Depotenzierung des Individuums einhergeht, verknüpft
auch FW 1 das Lachen über sich selbst mit dem (Zukunfts-)Programm ,fröhli-
cher Wissenschaft': „Ueber sich selber lachen, wie man lachen müsste, um aus
der ganzen Wahrheit heraus zu lachen, - dazu hatten bisher die Besten
nicht genug Wahrheitssinn und die Begabtesten viel zu wenig Genie! Es giebt
vielleicht auch für das Lachen noch eine Zukunft! Dann, wenn der Satz ,die
Art ist Alles, Einer ist immer Keiner' - sich der Menschheit einverleibt hat und
Jedem jederzeit der Zugang zu dieser letzten Befreiung und Unverantwortlich-
keit offen steht. Vielleicht wird sich dann das Lachen mit der Weisheit verbün-
det haben, vielleicht giebt es dann nur noch ,fröhliche Wissenschaft'" (370, 15-
25). Zu den Motto-Versen der Neuausgabe vor dem Hintergrund von „Nietzsches
Philosophie des Lachens" siehe auch Stoller 2016, 279-282, hier 280.
Vorrede zur zweiten Ausgabe
Zu dieser Vorrede existiert ein Entwurf aus dem Nachlass 1885/86, der unter
der Überschrift „Vorrede zur ,Fröhl. Wissenschaft'" bereits etliche zentrale Ele-
mente der Druckfassung enthält (KGW IX 5, W I 8, 63 f. = NL 1885/86, 2[166],
KSA 12, 149-152; Notat gekreuzt durchgestrichen), worauf in den entsprechen-
Im Hinblick auf die Kunst postuliert auch im Fünften Buch das Ende von
FW 379 die ironische Selbstrelativierung, wenn es dort heißt, die Kunst sei
insofern zu schätzen, als sie „der Spott des Künstlers über sich selber ist" (632,
26). Die Überschrift dieses Abschnitts, „Zwischenrede des Narren", wel-
che die bei N. auch sonst (vor allem in poetisch-poetologischen Texten) des
Öfteren zu findende Rollen-Rede als ,Narr' aufgreift, zeigt zugleich an, dass die
programmatisch geforderte ,närrische' Selbstironie hier auch schon praktiziert
wird. Dazu passt ebenfalls, dass N. in einem Entwurf zur Vorrede der Neuaus-
gabe von FW zwischen Herbst 1885 und Herbst 1886 notiert: „Der ,Narr' in der
Form der Wissenschaft'" (KGW IX 5, W I 8, 63, 20 = NL 1885/86, 2[166], KSA 12,
150, 11 f.). Obwohl im Motto-Gedicht zur Neuausgabe von FW das lyrische Ich,
anders als etwa in FW Anhang Narr in Verzweiflung, nicht ausdrücklich in der
Rolle des Narren auftritt, verweist das Auslachen der nicht über sich selbst
lachenden „Meister" deutlich auf das ,närrische' Element einer „fröhlichen
Wissenschaft", die keine philosophischen Lehren präsentiert, die sich allzu
ernst nehmen. Dazu passt denn auch die nur vermeintliche Originalität des
eigenen ,Denkgebäudes'. Was das in den Versen 3 und 4 eingeforderte Lachen
über sich selbst bedeutet, verdeutlicht das Motto-Gedicht in den Versen 1 und
2 selbst bereits poetologisch, autoreflexiv und performativ: im Widerspiel von
Proklamation und Relativierung auktorialer Autonomie.
Im Hinblick auf den evolutionsbiologischen Grundsatz der Arterhaltung,
der ebenfalls mit einer Depotenzierung des Individuums einhergeht, verknüpft
auch FW 1 das Lachen über sich selbst mit dem (Zukunfts-)Programm ,fröhli-
cher Wissenschaft': „Ueber sich selber lachen, wie man lachen müsste, um aus
der ganzen Wahrheit heraus zu lachen, - dazu hatten bisher die Besten
nicht genug Wahrheitssinn und die Begabtesten viel zu wenig Genie! Es giebt
vielleicht auch für das Lachen noch eine Zukunft! Dann, wenn der Satz ,die
Art ist Alles, Einer ist immer Keiner' - sich der Menschheit einverleibt hat und
Jedem jederzeit der Zugang zu dieser letzten Befreiung und Unverantwortlich-
keit offen steht. Vielleicht wird sich dann das Lachen mit der Weisheit verbün-
det haben, vielleicht giebt es dann nur noch ,fröhliche Wissenschaft'" (370, 15-
25). Zu den Motto-Versen der Neuausgabe vor dem Hintergrund von „Nietzsches
Philosophie des Lachens" siehe auch Stoller 2016, 279-282, hier 280.
Vorrede zur zweiten Ausgabe
Zu dieser Vorrede existiert ein Entwurf aus dem Nachlass 1885/86, der unter
der Überschrift „Vorrede zur ,Fröhl. Wissenschaft'" bereits etliche zentrale Ele-
mente der Druckfassung enthält (KGW IX 5, W I 8, 63 f. = NL 1885/86, 2[166],
KSA 12, 149-152; Notat gekreuzt durchgestrichen), worauf in den entsprechen-