Stellenkommentar FW Motto 1887 / Vorrede, KSA 3, S. 343 u. 345 95
den Stellenkommentaren verwiesen wird. Im Druckmanuskript D 16a weist die
Vorrede noch zahlreiche Überarbeitungen (Streichungen, Ersetzungen, Ergän-
zungen) auf. Auch diese werden im Folgenden mitgeteilt.
Die hochkomplexe, auf den „Herbst 1886" (352, 33) datierte Vorrede, die N.
der 1887 erschienenen Neuausgabe von FW mit auf den Weg gab, zählte er
zusammen mit den vier weiteren späten Vorreden zu früheren Werken - GT,
MA I u. II, Μ - in einem Brief an Overbeck zu seiner „vielleicht [...] beste[n]
Prosa" (14.11. 1886, KSB 7/KGB III 3, Nr. 775, S. 282, Z. 27 f.). Es lassen sich zwei
Hauptthemen ausmachen, die im Ausgang von der Inszenierung eines Gene-
sungs-Erlebnisses, das die persönliche Inspirationsquelle der ersten Ausgabe
von FW (1882) gewesen sei, entfaltet werden: das Verhältnis von Philosophie
und Kunst bzw. Dichtung, das jeweils im Zentrum des ersten und letzten (vier-
ten) Abschnitts steht, und die Bedeutung von Krankheit und Schmerz für die
Philosophie, um die es in den mittleren Abschnitten 2 und 3 vor allem geht.
Freilich überlagern sich die beiden Themenfelder: Auch in den Abschnitten 1
und 4 spielen Erwägungen über Krankheit und Gesundheit eine nicht unwe-
sentliche Rolle - sie sind jeweils der Ausgangspunkt für die Reflexion auf das
Verhältnis von Philosophie und Kunst, das nicht nur so etwas wie eine motivi-
sche Klammer bildet, sondern zu Beginn von FW Vorrede 4 sogar als „das We-
sentlichste" (351, 5) bezeichnet wird. Auffällig ist dabei allerdings eine „Ten-
denz zur inhaltlichen [...] Autonomisierung" (Groddeck 1997, 190) der Vorrede
gegenüber dem nachstehenden Werk, obwohl sich manche Motiv-Verbindun-
gen auch schon zur ersten Ausgabe ausmachen lassen (vor allem was die Moti-
ve der Kunst, der Gesundheit oder der Seefahrt betrifft). Am Ende wird ein -
vom „Herbst 1886" aus gedachtes - Zukunftsprogramm der Verabschiedung
des philosophischen Strebens nach Wahrheit zugunsten einer ,Anbetung' des
reinen ästhetischen Scheins entfaltet, das sich nur partiell auf den ,Haupttext'
von FW beziehen lässt, deren Bücher I-IV mitsamt dem lyrischen „Vorspiel" ja
auch gut ein halbes Jahrzehnt früher entstanden sind.
Diese Ausführungen sind zum Teil in der Ich-Form gehalten, die N. nach
einer ziemlich fadenscheinigen Äußerung gegenüber seinem Verleger Fritzsch
zwar „schrecklich[]" finden will, die für vorliegende Textsorte jedoch geeignet
sei: „Man verträgt das schreckliche Vorrede-Wörtchen ,ich' eben nur unter der
Bedingung, daß es in dem drauf folgenden Buche fehlt: es hat nur
Recht in der Vorrede." (29. 08.-01. 09. 1886, KSB 7/KGB III 3, Nr. 740,
S. 238, Z. 62-65) Dieses Vorreden-Ich, das sich dann selbst zu Beginn des zwei-
ten Abschnitts ironisch in der dritten Person „Herr Nietzsche" (347, 3) nennt,
um schließlich mit Formulierungen wie „wir Philosophen" (347, 25) in die erste
Person Plural zu wechseln, sollte freilich nicht ohne Weiteres mit dem empiri-
schen Autor N. gleichgesetzt werden (ebenso wenig wie das in den ,Haupttex-
den Stellenkommentaren verwiesen wird. Im Druckmanuskript D 16a weist die
Vorrede noch zahlreiche Überarbeitungen (Streichungen, Ersetzungen, Ergän-
zungen) auf. Auch diese werden im Folgenden mitgeteilt.
Die hochkomplexe, auf den „Herbst 1886" (352, 33) datierte Vorrede, die N.
der 1887 erschienenen Neuausgabe von FW mit auf den Weg gab, zählte er
zusammen mit den vier weiteren späten Vorreden zu früheren Werken - GT,
MA I u. II, Μ - in einem Brief an Overbeck zu seiner „vielleicht [...] beste[n]
Prosa" (14.11. 1886, KSB 7/KGB III 3, Nr. 775, S. 282, Z. 27 f.). Es lassen sich zwei
Hauptthemen ausmachen, die im Ausgang von der Inszenierung eines Gene-
sungs-Erlebnisses, das die persönliche Inspirationsquelle der ersten Ausgabe
von FW (1882) gewesen sei, entfaltet werden: das Verhältnis von Philosophie
und Kunst bzw. Dichtung, das jeweils im Zentrum des ersten und letzten (vier-
ten) Abschnitts steht, und die Bedeutung von Krankheit und Schmerz für die
Philosophie, um die es in den mittleren Abschnitten 2 und 3 vor allem geht.
Freilich überlagern sich die beiden Themenfelder: Auch in den Abschnitten 1
und 4 spielen Erwägungen über Krankheit und Gesundheit eine nicht unwe-
sentliche Rolle - sie sind jeweils der Ausgangspunkt für die Reflexion auf das
Verhältnis von Philosophie und Kunst, das nicht nur so etwas wie eine motivi-
sche Klammer bildet, sondern zu Beginn von FW Vorrede 4 sogar als „das We-
sentlichste" (351, 5) bezeichnet wird. Auffällig ist dabei allerdings eine „Ten-
denz zur inhaltlichen [...] Autonomisierung" (Groddeck 1997, 190) der Vorrede
gegenüber dem nachstehenden Werk, obwohl sich manche Motiv-Verbindun-
gen auch schon zur ersten Ausgabe ausmachen lassen (vor allem was die Moti-
ve der Kunst, der Gesundheit oder der Seefahrt betrifft). Am Ende wird ein -
vom „Herbst 1886" aus gedachtes - Zukunftsprogramm der Verabschiedung
des philosophischen Strebens nach Wahrheit zugunsten einer ,Anbetung' des
reinen ästhetischen Scheins entfaltet, das sich nur partiell auf den ,Haupttext'
von FW beziehen lässt, deren Bücher I-IV mitsamt dem lyrischen „Vorspiel" ja
auch gut ein halbes Jahrzehnt früher entstanden sind.
Diese Ausführungen sind zum Teil in der Ich-Form gehalten, die N. nach
einer ziemlich fadenscheinigen Äußerung gegenüber seinem Verleger Fritzsch
zwar „schrecklich[]" finden will, die für vorliegende Textsorte jedoch geeignet
sei: „Man verträgt das schreckliche Vorrede-Wörtchen ,ich' eben nur unter der
Bedingung, daß es in dem drauf folgenden Buche fehlt: es hat nur
Recht in der Vorrede." (29. 08.-01. 09. 1886, KSB 7/KGB III 3, Nr. 740,
S. 238, Z. 62-65) Dieses Vorreden-Ich, das sich dann selbst zu Beginn des zwei-
ten Abschnitts ironisch in der dritten Person „Herr Nietzsche" (347, 3) nennt,
um schließlich mit Formulierungen wie „wir Philosophen" (347, 25) in die erste
Person Plural zu wechseln, sollte freilich nicht ohne Weiteres mit dem empiri-
schen Autor N. gleichgesetzt werden (ebenso wenig wie das in den ,Haupttex-