142 Die fröhliche Wissenschaft
seiner (erhofften) Genesung zurück, von der bereits im ersten Abschnitt die
Rede war. N. schafft hiermit eine ringkompositorische Rahmung der Vorrede.
Dabei wird zum Abschluss - ebenfalls wie schon zu Beginn - die Beziehung
zwischen Philosophie und Kunst thematisiert, wobei es vor allem um eine
neue, heitere ,Künstler-Kunst' geht, der nunmehr gegenüber der im vorigen
Abschnitt angesprochenen ,Transfigurations-Philosophie' der Vorzug gegeben
wird: Dass der vermeintlich genesen(d)e Philosoph sich von der Philosophie
distanziert und zum Künstler geworden ist oder doch zumindest werden möch-
te, zeigt sich generell auch in seinem Verhältnis zur (unerträglichen bzw. unzu-
gänglichen) Wahrheit, der er den (schönen) Schein vorzieht. Dieser Abschnitt
bildet die Vorlage für NW Epilog 2 (KSA 6, 437-439) von 1888 (vgl. dazu NK 6/
2, S. 785-790).
Das Druckmanuskript zu FW Vorrede 4 (D 16a, 5) hat N. mit zahlreichen
Korrekturen versehen. Die Mappe Mp XV enthält ein offensichtlich früher ver-
fasstes Blatt mit der Niederschrift eines geplanten zweiten Teils der Vorrede,
der sich jedoch deutlich von der Druckfassung FW Vorrede 2 unterscheidet und
vor allem ,Vorstufen' zum späteren Abschnitt 4 enthält. Der Anfang der Auf-
zeichnung lautet: „- Aber das Ziel dieser Vorrede soll ein anderes sein als mei-
nen Lesern die Tugenden eines Lesers - guten Willen, / Nachsicht, Vorsicht,
Einsicht, Feinsicht - ins Gedächtnis zu rufen; es wäre eine Verstellung, wenn
ich's dabei bewenden ließe. / Ich weiß es zu gut, warum dies Buch mißverstan-
den werden muß 'wird': oder vielmehr 'deutlicher', warum seine Heiterkeit,
seine fast willkürliche / Lust am Hellen, Nahen, Leichten, Leichtfertigen sich
nicht mittheilt, vielmehr als Problem wirkt, als Problem beunruhigt ... Diese /
Heiterkeit verbirgt Etwas, dieser Wille zur Oberfläche verräth ein Wissen um
die Tiefe, diese Tiefe haucht ihren Athem / aus, einen kalten Athem, der frös-
teln macht; und gesetzt selbst, daß man bei der Musik solcher ,Heiterkeit' tan-
zen lernte, / so wäre es vielleicht nicht um zu tanzen, sondern um wieder warm
zu werden? - Daß ich es eingestehe: wir Menschen der Tiefe / haben unsre
Heiterkeit zu sehr nöthig als daß wir sie nicht verdächtig machten; und wenn
wir ,nur an einen Gott glauben / würden, der zu tanzen verstünde', so möchte
es deshalb sein, weil wir zu sehr an den Teufel glauben, nämlich an den / Geist
der Schwere, mit dem wir zu oft, zu hart, zu gründlich beladen sind. Nein, es
ist etwas Pessimistisches an uns, das / sich noch in unsrer Heiterkeit verräth,
wir verstehn uns auf den 'diesen™ Anschein, 'auf jeden Anschein - 'denn™ wir
lieben den Schein, wir be=/ten ihn selbst an -, aber nur weil wir über das
,Sein' 'selbst™ unsren Argwohn haben ..." (KGW IX 12, Mp XV, 96r, 2-24). Zum
Fortgang des Notats vgl. NK 351, 24-352, 31.
351, 5-8 man kommt aus solchen Abgründen, aus solchem schweren Siechthum,
auch aus dem Siechthum des schweren Verdachts, neugeboren zurück] Eine
seiner (erhofften) Genesung zurück, von der bereits im ersten Abschnitt die
Rede war. N. schafft hiermit eine ringkompositorische Rahmung der Vorrede.
Dabei wird zum Abschluss - ebenfalls wie schon zu Beginn - die Beziehung
zwischen Philosophie und Kunst thematisiert, wobei es vor allem um eine
neue, heitere ,Künstler-Kunst' geht, der nunmehr gegenüber der im vorigen
Abschnitt angesprochenen ,Transfigurations-Philosophie' der Vorzug gegeben
wird: Dass der vermeintlich genesen(d)e Philosoph sich von der Philosophie
distanziert und zum Künstler geworden ist oder doch zumindest werden möch-
te, zeigt sich generell auch in seinem Verhältnis zur (unerträglichen bzw. unzu-
gänglichen) Wahrheit, der er den (schönen) Schein vorzieht. Dieser Abschnitt
bildet die Vorlage für NW Epilog 2 (KSA 6, 437-439) von 1888 (vgl. dazu NK 6/
2, S. 785-790).
Das Druckmanuskript zu FW Vorrede 4 (D 16a, 5) hat N. mit zahlreichen
Korrekturen versehen. Die Mappe Mp XV enthält ein offensichtlich früher ver-
fasstes Blatt mit der Niederschrift eines geplanten zweiten Teils der Vorrede,
der sich jedoch deutlich von der Druckfassung FW Vorrede 2 unterscheidet und
vor allem ,Vorstufen' zum späteren Abschnitt 4 enthält. Der Anfang der Auf-
zeichnung lautet: „- Aber das Ziel dieser Vorrede soll ein anderes sein als mei-
nen Lesern die Tugenden eines Lesers - guten Willen, / Nachsicht, Vorsicht,
Einsicht, Feinsicht - ins Gedächtnis zu rufen; es wäre eine Verstellung, wenn
ich's dabei bewenden ließe. / Ich weiß es zu gut, warum dies Buch mißverstan-
den werden muß 'wird': oder vielmehr 'deutlicher', warum seine Heiterkeit,
seine fast willkürliche / Lust am Hellen, Nahen, Leichten, Leichtfertigen sich
nicht mittheilt, vielmehr als Problem wirkt, als Problem beunruhigt ... Diese /
Heiterkeit verbirgt Etwas, dieser Wille zur Oberfläche verräth ein Wissen um
die Tiefe, diese Tiefe haucht ihren Athem / aus, einen kalten Athem, der frös-
teln macht; und gesetzt selbst, daß man bei der Musik solcher ,Heiterkeit' tan-
zen lernte, / so wäre es vielleicht nicht um zu tanzen, sondern um wieder warm
zu werden? - Daß ich es eingestehe: wir Menschen der Tiefe / haben unsre
Heiterkeit zu sehr nöthig als daß wir sie nicht verdächtig machten; und wenn
wir ,nur an einen Gott glauben / würden, der zu tanzen verstünde', so möchte
es deshalb sein, weil wir zu sehr an den Teufel glauben, nämlich an den / Geist
der Schwere, mit dem wir zu oft, zu hart, zu gründlich beladen sind. Nein, es
ist etwas Pessimistisches an uns, das / sich noch in unsrer Heiterkeit verräth,
wir verstehn uns auf den 'diesen™ Anschein, 'auf jeden Anschein - 'denn™ wir
lieben den Schein, wir be=/ten ihn selbst an -, aber nur weil wir über das
,Sein' 'selbst™ unsren Argwohn haben ..." (KGW IX 12, Mp XV, 96r, 2-24). Zum
Fortgang des Notats vgl. NK 351, 24-352, 31.
351, 5-8 man kommt aus solchen Abgründen, aus solchem schweren Siechthum,
auch aus dem Siechthum des schweren Verdachts, neugeboren zurück] Eine