Stellenkommentar FW Vorrede 4 / Vorspiel Titel, KSA 3, S. 352-353 161
(oder Höhe) oberflächlichen Kunst in einem bekannten Nachlass-Notat aus
dem Frühjahr/Sommer 1888: „Die Kunst und nichts als die Kunst! Sie ist die
große Ermöglicherin des Lebens, die große Verführerin zum Leben, das große
Stimulans des Lebens. [...] Die Kunst als die Erlösung des Erkennen-
den, - dessen, der den furchtbaren und fragwürdigen Charakter des Daseins
sieht, sehn will, des Tragisch-Erkennenden." (NL 1888, 17[3], KSA 13, 521, 18-
20 u. 24-26) Diese Erlösung des tragisch-erkennenden Philosophen, der in die
Abgründe der schrecklichen Wahrheit hinabgeschaut hat bzw. hinabgestiegen
ist, durch den heiter-oberflächlichen schönen Schein der Kunst proklamiert in
rhetorischer Frageform auch schon der Schluss von FW Vorrede. Das auktoriale
Wir will demnach unwiderruflich vom wahrheitssuchenden Denker zum schein-
anbetenden Künstler geworden sein (oder werden?), der sich - um eine Wen-
dung Schillers aufzugreifen - ganz zur „Verhüllung der Wahrheit [...] in die
Schönheit" bekennt (Schiller 1847, 25; vgl. hierzu Kaufmann 2011, 198-200).
352, 32 f. Ruta bei Genua, I im Herbst 1886.] Im Druckmanuskript steht statt
„Herbst" noch: „Herbst des Jahres" (D 16a, 5); ebenso schon in der ,Vorstufe'
MP XV 2, 197 sowie in GoA V, 11. Auch die Vorrede zu Μ hatte N. so unterschrie-
ben (vgl. KSA 17, 33 f.). In Ruta Ligure hielt sich N. im Oktober 1886 auf; die
ausführlichste und enthusiastischste Schilderung des Ortes (die zumindest teil-
weise zu den vorbildhaften Griechen am Schluss von FW Vorrede 4 passt) gibt
er kurz nach seiner Ankunft im Brief an Köselitz vom 10. Oktober: „Denken Sie
sich eine Insel des griechischen Archipelagos, mit Wald und Berg willkürlich
überworfen, welche durch einen Zufall eines Tags an das Festland herange-
schwommen ist und nicht wieder zurück kann. Es ist etwas Griechisches
daran, ohne Zweifel: andererseits etwas Piratenhaftes, Plötzliches, Verstecktes,
Gefährliches; endlich, an einer einsamen Wendung, ein Stück tropischen
Pinienwaldes, mit dem man aus Europa weg ist, etwas Brasilianisches" (KSB 7/
KGB III 3, Nr. 759, S. 261, Z. 6-14).
„Scherz, List und Rache." Vorspiel in deutschen Reimen
Titel „Scherz, List und Rache." Vorspiel in deutschen Reimen] Der in Anfüh-
rungszeichen gesetzte Haupttitel des lyrischen Vorspiels zitiert den Titel von
Goethes Werk Scherz, List und Rache. Ein Singspiel (vgl. Reschke 1997, 239 f.).
Es handelt sich um das zwischen Sommer 1784 und Februar 1785 entstandene
Libretto zu Goethes erster Opera buffa (Goethe selbst sprach von einer „Operet-
te"; vgl. den Brief an Philipp Christoph Kayser vom 29. Dezember 1779, Goethe
1887-1919, IV/4, 155-158); das Stück umfasst vier Akte (Benne 2015a, 30 erblickt
hierin „eine mögliche Parallele zu den vier Büchern der Erstausgabe" von FW),
(oder Höhe) oberflächlichen Kunst in einem bekannten Nachlass-Notat aus
dem Frühjahr/Sommer 1888: „Die Kunst und nichts als die Kunst! Sie ist die
große Ermöglicherin des Lebens, die große Verführerin zum Leben, das große
Stimulans des Lebens. [...] Die Kunst als die Erlösung des Erkennen-
den, - dessen, der den furchtbaren und fragwürdigen Charakter des Daseins
sieht, sehn will, des Tragisch-Erkennenden." (NL 1888, 17[3], KSA 13, 521, 18-
20 u. 24-26) Diese Erlösung des tragisch-erkennenden Philosophen, der in die
Abgründe der schrecklichen Wahrheit hinabgeschaut hat bzw. hinabgestiegen
ist, durch den heiter-oberflächlichen schönen Schein der Kunst proklamiert in
rhetorischer Frageform auch schon der Schluss von FW Vorrede. Das auktoriale
Wir will demnach unwiderruflich vom wahrheitssuchenden Denker zum schein-
anbetenden Künstler geworden sein (oder werden?), der sich - um eine Wen-
dung Schillers aufzugreifen - ganz zur „Verhüllung der Wahrheit [...] in die
Schönheit" bekennt (Schiller 1847, 25; vgl. hierzu Kaufmann 2011, 198-200).
352, 32 f. Ruta bei Genua, I im Herbst 1886.] Im Druckmanuskript steht statt
„Herbst" noch: „Herbst des Jahres" (D 16a, 5); ebenso schon in der ,Vorstufe'
MP XV 2, 197 sowie in GoA V, 11. Auch die Vorrede zu Μ hatte N. so unterschrie-
ben (vgl. KSA 17, 33 f.). In Ruta Ligure hielt sich N. im Oktober 1886 auf; die
ausführlichste und enthusiastischste Schilderung des Ortes (die zumindest teil-
weise zu den vorbildhaften Griechen am Schluss von FW Vorrede 4 passt) gibt
er kurz nach seiner Ankunft im Brief an Köselitz vom 10. Oktober: „Denken Sie
sich eine Insel des griechischen Archipelagos, mit Wald und Berg willkürlich
überworfen, welche durch einen Zufall eines Tags an das Festland herange-
schwommen ist und nicht wieder zurück kann. Es ist etwas Griechisches
daran, ohne Zweifel: andererseits etwas Piratenhaftes, Plötzliches, Verstecktes,
Gefährliches; endlich, an einer einsamen Wendung, ein Stück tropischen
Pinienwaldes, mit dem man aus Europa weg ist, etwas Brasilianisches" (KSB 7/
KGB III 3, Nr. 759, S. 261, Z. 6-14).
„Scherz, List und Rache." Vorspiel in deutschen Reimen
Titel „Scherz, List und Rache." Vorspiel in deutschen Reimen] Der in Anfüh-
rungszeichen gesetzte Haupttitel des lyrischen Vorspiels zitiert den Titel von
Goethes Werk Scherz, List und Rache. Ein Singspiel (vgl. Reschke 1997, 239 f.).
Es handelt sich um das zwischen Sommer 1784 und Februar 1785 entstandene
Libretto zu Goethes erster Opera buffa (Goethe selbst sprach von einer „Operet-
te"; vgl. den Brief an Philipp Christoph Kayser vom 29. Dezember 1779, Goethe
1887-1919, IV/4, 155-158); das Stück umfasst vier Akte (Benne 2015a, 30 erblickt
hierin „eine mögliche Parallele zu den vier Büchern der Erstausgabe" von FW),