246 Die fröhliche Wissenschaft
mutet Baumgarten 1956, 97 (vgl. den in ΝΚ FW Vorspiel 62 zitierten Passus aus
Emerson 1858, 113, wo in der Tat motivisch ähnlich vom „Umlauf der Sterne"
die Rede ist). Für Bloch 2017, 139 „verkünde[t]" FW Vorspiel 63 „das hohe Ge-
setz der Auserwähltheit".
367, 25 Roll' selig hin durch diese Zeit!] Zum Motiv des Sternen-Rollens vgl.
FW Vorspiel 29 (359, 19 f.).
367, 26 f. Ihr Elend sei dir fremd und weit! II Der fernsten Welt gehört dein
Schein] Vgl. folgende ,Vorstufe' aus einem Notizbuch, das N. seit Frühling 1882
benutzt hat: „Ihr Elend sei dir sternenweit! / Den Kommenden sollst Licht du
sein / Der fernsten Ferne gilt dein Schein" (N V 8, 171). Korrektur zum Wortlaut
der Druckfassung in Μ III 3, 27 aus: „Ihr Elend sei dir sternenweit /XX/ Der
fernsten Ferne gilt dein Schein". Der Appell, sich vom Zeitgeschehen nicht mit-
leidig affizieren zu lassen, begegnet erneut gegen Ende des Vierten Buchs in
FW 338; vgl. NK 568, 13 f. Dass sich im vorliegenden Passus das angesprochene
Sternen-Du vom „Elend" seiner „Zeit" (367, 25) zugunsten einer „fernsten Welt"
abwenden soll, widerspricht dem christlichen Gebot der Nächstenliebe, ent-
spricht dafür aber dem Mitleids-Verbot im vorletzten Vers. Vgl. die sternenhafte
Ent-fernung des Nächsten in FW Vorspiel 30. Siehe auch Za I Von der Nächsten-
liebe: „Rathe ich euch zur Nächstenliebe? Lieber noch rathe ich euch zur
Nächsten-Flucht und zur Fernsten-Liebe! / Höher als die Liebe zum Nächsten
ist die Liebe zum Fernsten und Künftigen" (KSA 4, 77, 10-13).
367, 28 Mitleid soll Sünde für dich sein!] Vgl. NK FW 271. Als Absage an ,,[t]he
traditional anti-life morality" versteht Langer 2010, 25 dieses ,Mitleidsverbot'.
367, 29 Nur Ein Gebot gilt dir: sei rein!] Während der vorige Vers die im Chris-
tentum gebotene Nächstenliebe bzw. das Mitleid zur „Sünde" (367, 28) und das
entsprechende Gebot zum Verbot umgewertet hatte, erscheint hier, im letzten
Vers des Gedichts, das ,Reinheitsgebot' als einzige moralische Norm (vgl. den
Titel), die der lyrische Sprecher für das apostrophierte Sternen-Du aufstellt.
Benne 2015a, 47 f. macht vor diesem Hintergrund für FW Vorspiel 63 als Prätext
Verse aus Goethes Zahmen Xenien aus, der in „identischem Versmaß" verfasst
sei (man beachte aber die beiden hyperkatalektischen Versschlüsse der jambi-
schen Vierheber bei Goethe): „Das Leben wohnt in jedem Sterne: / Er wandelt
mit den andern gerne / Die selbsterwählte reine Bahn" (Goethe 1853-1858, 3,
135), wobei N. die „reine Bahn" des goetheschen Sterns „allerdings auf den
ersten und letzten Vers in seinem eigenen Gedicht verteilt hat" (Benne 2015a,
48). Rudolf Borchardt bemerkte ausgehend von N.s Schlussvers: „Der Mensch
ist dazu da, durch die Unreinheit, der er zugehört, ins immer Reinere zu stre-
ben" (Borchardt 2002, 144). Zu dieser Rezeptionsspur, in der N.s Text mit der
mutet Baumgarten 1956, 97 (vgl. den in ΝΚ FW Vorspiel 62 zitierten Passus aus
Emerson 1858, 113, wo in der Tat motivisch ähnlich vom „Umlauf der Sterne"
die Rede ist). Für Bloch 2017, 139 „verkünde[t]" FW Vorspiel 63 „das hohe Ge-
setz der Auserwähltheit".
367, 25 Roll' selig hin durch diese Zeit!] Zum Motiv des Sternen-Rollens vgl.
FW Vorspiel 29 (359, 19 f.).
367, 26 f. Ihr Elend sei dir fremd und weit! II Der fernsten Welt gehört dein
Schein] Vgl. folgende ,Vorstufe' aus einem Notizbuch, das N. seit Frühling 1882
benutzt hat: „Ihr Elend sei dir sternenweit! / Den Kommenden sollst Licht du
sein / Der fernsten Ferne gilt dein Schein" (N V 8, 171). Korrektur zum Wortlaut
der Druckfassung in Μ III 3, 27 aus: „Ihr Elend sei dir sternenweit /XX/ Der
fernsten Ferne gilt dein Schein". Der Appell, sich vom Zeitgeschehen nicht mit-
leidig affizieren zu lassen, begegnet erneut gegen Ende des Vierten Buchs in
FW 338; vgl. NK 568, 13 f. Dass sich im vorliegenden Passus das angesprochene
Sternen-Du vom „Elend" seiner „Zeit" (367, 25) zugunsten einer „fernsten Welt"
abwenden soll, widerspricht dem christlichen Gebot der Nächstenliebe, ent-
spricht dafür aber dem Mitleids-Verbot im vorletzten Vers. Vgl. die sternenhafte
Ent-fernung des Nächsten in FW Vorspiel 30. Siehe auch Za I Von der Nächsten-
liebe: „Rathe ich euch zur Nächstenliebe? Lieber noch rathe ich euch zur
Nächsten-Flucht und zur Fernsten-Liebe! / Höher als die Liebe zum Nächsten
ist die Liebe zum Fernsten und Künftigen" (KSA 4, 77, 10-13).
367, 28 Mitleid soll Sünde für dich sein!] Vgl. NK FW 271. Als Absage an ,,[t]he
traditional anti-life morality" versteht Langer 2010, 25 dieses ,Mitleidsverbot'.
367, 29 Nur Ein Gebot gilt dir: sei rein!] Während der vorige Vers die im Chris-
tentum gebotene Nächstenliebe bzw. das Mitleid zur „Sünde" (367, 28) und das
entsprechende Gebot zum Verbot umgewertet hatte, erscheint hier, im letzten
Vers des Gedichts, das ,Reinheitsgebot' als einzige moralische Norm (vgl. den
Titel), die der lyrische Sprecher für das apostrophierte Sternen-Du aufstellt.
Benne 2015a, 47 f. macht vor diesem Hintergrund für FW Vorspiel 63 als Prätext
Verse aus Goethes Zahmen Xenien aus, der in „identischem Versmaß" verfasst
sei (man beachte aber die beiden hyperkatalektischen Versschlüsse der jambi-
schen Vierheber bei Goethe): „Das Leben wohnt in jedem Sterne: / Er wandelt
mit den andern gerne / Die selbsterwählte reine Bahn" (Goethe 1853-1858, 3,
135), wobei N. die „reine Bahn" des goetheschen Sterns „allerdings auf den
ersten und letzten Vers in seinem eigenen Gedicht verteilt hat" (Benne 2015a,
48). Rudolf Borchardt bemerkte ausgehend von N.s Schlussvers: „Der Mensch
ist dazu da, durch die Unreinheit, der er zugehört, ins immer Reinere zu stre-
ben" (Borchardt 2002, 144). Zu dieser Rezeptionsspur, in der N.s Text mit der