Stellenkommentar FW Vorspiel 63 / FW 1, KSA 3, S. 367-369 247
auf Seneca zurückgehenden lateinischen Wendung „per aspera ad astra"
(„durch das Raue zu den Sternen") überblendet scheint, vgl. Mionskowski
2018, 209.
Erstes Buch
1.
Die Lehrer vom Zwecke des Daseins.] Die Formel vom „Zwecke des
Daseins" dürfte N. von Schopenhauer entlehnt haben, auf dessen Philosophie
auch der Gedankengang dieses Textes (wenngleich ohne direkte Namensnen-
nung) verweist. Bei Schopenhauer, der zugleich als ein prägnantes Beispiel für
die im ersten Satz genannten misanthropisch-pessimistischen „böse[n] Blicke
auf die Menschen" (369, 4) anzuführen wäre, heißt es im zweiten Band seines
Hauptwerks Die Welt als Wille und Vorstellung: „Als Zweck unsers Daseyns ist
in der That nichts Anderes anzugeben, als die Erkenntniß, daß wir besser nicht
dawären." (Schopenhauer 1873-1874, 3, 695; N.s Unterstreichung) Mit den
„Lehrer[n] vom Zwecke des Daseins" sind im vorliegenden Text indes gerade
nur diejenigen Religionsvertreter und Moralphilosophen gemeint, die dem Le-
ben des Einzelmenschen einen positiven Zweck und Wert zuschreiben (vgl.
NK 371, 23 f.). Damit verknüpft FW 1 in poetologischer Metaphorik Aussagen
über den Komödien- bzw. Tragödien-Charakter des Daseins, die schließlich in
einer emphatischen Leseransprache vom auktorialen Wir auf ein „neue[s] Ge-
setz" (372, 32 f.) bezogen werden. Insofern gehört der Eingangsabschnitt in die
Reihe jener FW-Texte, die auf das Tragische bzw. auf den Zusammenhang von
Tragödie und Komödie/Parodie reflektieren (vgl. FW Vorrede 1, 346, 28-32;
FW 153; FW 342; FW 382, 637, 9-15).
Punktuell mit FW 1 beschäftigen sich u. a. Rosteutscher 1947, 160 f., Ulrich
1975, 75 f., Griffin 1994, 340 f., Brusotti 1997b, 434 f., Higgins 1999, 83 u. 93,
Markotic 2010, 170 f., Spreafico 2010, 328 f., Viesenteiner 2010, 338 f. und Stol-
ler 2016, 280 f.; ausführlicher Higgins 2000, bes. 45-51 u. 56-58, Clark 2015,
113-120 und Hay 2017, 205-210; Einzelinterpretationen zu dem Eingangsab-
schnitt haben Benne 2016b und - einlässlicher noch - Thelen 2017 vorgelegt;
besondere Aufmerksamkeit erfährt der Text auch in Ure 2019, 23-40, wo ihm
das gesamte erste Kapitel „Nietzsche's Tragicomedy" gewidmet ist. Eine um-
fangreiche Vorstufe' zu FW 1 findet sich in N V 8, 196 f. u. N V 8, 198 f. Die
,Reinschrift' zu FW 1 beginnt in M III 6, 44 f. und endet in M III 6, 38; sie ist
schon mit dem Titel der Druckfassung versehen, weist aber noch zahlreiche
Korrekturen und Textvarianten auf, von denen KSA 14, 238 nur eine Auswahl
verzeichnet.
auf Seneca zurückgehenden lateinischen Wendung „per aspera ad astra"
(„durch das Raue zu den Sternen") überblendet scheint, vgl. Mionskowski
2018, 209.
Erstes Buch
1.
Die Lehrer vom Zwecke des Daseins.] Die Formel vom „Zwecke des
Daseins" dürfte N. von Schopenhauer entlehnt haben, auf dessen Philosophie
auch der Gedankengang dieses Textes (wenngleich ohne direkte Namensnen-
nung) verweist. Bei Schopenhauer, der zugleich als ein prägnantes Beispiel für
die im ersten Satz genannten misanthropisch-pessimistischen „böse[n] Blicke
auf die Menschen" (369, 4) anzuführen wäre, heißt es im zweiten Band seines
Hauptwerks Die Welt als Wille und Vorstellung: „Als Zweck unsers Daseyns ist
in der That nichts Anderes anzugeben, als die Erkenntniß, daß wir besser nicht
dawären." (Schopenhauer 1873-1874, 3, 695; N.s Unterstreichung) Mit den
„Lehrer[n] vom Zwecke des Daseins" sind im vorliegenden Text indes gerade
nur diejenigen Religionsvertreter und Moralphilosophen gemeint, die dem Le-
ben des Einzelmenschen einen positiven Zweck und Wert zuschreiben (vgl.
NK 371, 23 f.). Damit verknüpft FW 1 in poetologischer Metaphorik Aussagen
über den Komödien- bzw. Tragödien-Charakter des Daseins, die schließlich in
einer emphatischen Leseransprache vom auktorialen Wir auf ein „neue[s] Ge-
setz" (372, 32 f.) bezogen werden. Insofern gehört der Eingangsabschnitt in die
Reihe jener FW-Texte, die auf das Tragische bzw. auf den Zusammenhang von
Tragödie und Komödie/Parodie reflektieren (vgl. FW Vorrede 1, 346, 28-32;
FW 153; FW 342; FW 382, 637, 9-15).
Punktuell mit FW 1 beschäftigen sich u. a. Rosteutscher 1947, 160 f., Ulrich
1975, 75 f., Griffin 1994, 340 f., Brusotti 1997b, 434 f., Higgins 1999, 83 u. 93,
Markotic 2010, 170 f., Spreafico 2010, 328 f., Viesenteiner 2010, 338 f. und Stol-
ler 2016, 280 f.; ausführlicher Higgins 2000, bes. 45-51 u. 56-58, Clark 2015,
113-120 und Hay 2017, 205-210; Einzelinterpretationen zu dem Eingangsab-
schnitt haben Benne 2016b und - einlässlicher noch - Thelen 2017 vorgelegt;
besondere Aufmerksamkeit erfährt der Text auch in Ure 2019, 23-40, wo ihm
das gesamte erste Kapitel „Nietzsche's Tragicomedy" gewidmet ist. Eine um-
fangreiche Vorstufe' zu FW 1 findet sich in N V 8, 196 f. u. N V 8, 198 f. Die
,Reinschrift' zu FW 1 beginnt in M III 6, 44 f. und endet in M III 6, 38; sie ist
schon mit dem Titel der Druckfassung versehen, weist aber noch zahlreiche
Korrekturen und Textvarianten auf, von denen KSA 14, 238 nur eine Auswahl
verzeichnet.