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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0767
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744 Die fröhliche Wissenschaft

worden! Freilich!" (NL 1881, 14[14], KSA 9, 626; Handschrift in Μ III 5, 50.) Im
selben Zeitraum (Herbst 1881) entstand folgende kurze Aufzeichnung: „Kurz
hütet euch vor dem Schatten Gottes. - Man nennt ihn auch Metaphysik" (N V 7,
16). Eine fragmentarische Variante bietet überdies folgende Aufzeichnung aus
demselben Notizbuch, die bereits das kämpferische Ende der Druckfassung
vorwegnimmt, durch das sich der Titel des Abschnitts erklärt: „Wir müssen
auch den Schatten Gottes bekämpfen - und war es Jahrhunderte lang - so
wird es lange, lange noch Höhlen geben, in denen" (N V 7, 104). Auch in der
Druckfassung steht der Schatten (des toten) Gottes im Zentrum; obwohl der
Eröffnungstext des Dritten Buchs zunächst vom Schatten Buddhas spricht,
dient dieser lediglich als Ausgangspunkt für einen anthropologisch begründe-
ten Vergleich - „so wie die Art des Menschen ist" (467, 5 f.) - mit dem ,Fortle-
ben' des christlichen Gottes nach seinem Tode (vgl. dagegen Stegmaier 2012b,
92, der den Gottestod in FW 108 noch ganz „bezogen auf Buddha" und erst in
FW 125 „auf den christlichen Gott um[gemünzt]" sieht).
Eine Hauptinformationsquelle über den Buddhismus, auf den N. verschie-
dentlich zu sprechen kommt (u. a. auch in FW 134, FW 142 und FW 346), war
für ihn Hermann Oldenbergs Buch Buddha. Sein Leben, seine Lehre, seine
Gemeinde von 1881, das er für seine persönliche Bibliothek erwarb. N. interes-
sierte sich - vermittelt durch Schopenhauer - allerdings schon früh für den Bud-
dhismus. Bereits am 25. Oktober 1870 entlieh er aus der Basler Universitätsbiblio-
thek Carl Friedrich Koeppens Werk Die Religion des Buddha und ihre Entstehung,
das 1857-1859 erschienen war (vgl. Crescenzi 1994, S. 401, Nr. 141). Zu „Buddha's
Tod" vgl. das so betitelte Kapitel in Oldenberg 1881, 200-207, wo der ,Höhlen-
schatten' indes nicht erwähnt wird. Hingegen konnte N. bei Koeppen über den
Schatten Buddhas lesen: „Nicht bloß seine Qariras [Körperteile, die als Reliquien
aufbewahrt wurden], sondern auch seinen Schatten hat der zum Heil Erschie-
nene den Gläubigen zurückgelassen. Man zeigte denselben einst in verschiede-
nen Höhlen oder Grotten bei Buddha Gaya, bei Käugämbi, wie auch bei jenem
reliquiengesegneten Nägara; die andächtigen chinesischen Pilgrime, nament-
lich Hiuan Thsang, sind mit dessen Anblick begnadigt worden. Eine ähnli-
che Taschenspielerei wird noch jetzt von den Mönchen des berühmten Klosters
der ,fünf Thürme' in der chinesischen Provinz Schansi getrieben." (Koeppen
1857-1859, 1, 523) Mit Blick auf das ,Erlöschen' von „Buddha's Schatten in der
Höhle" bei näherem Hinsehen, das im zitierten Nachlass-Notat NL 1881, 14[14]
erwähnt wird, vgl. die anschließende Anmerkung Koeppens: „Als darauf Hiuan
Thsang Feuer in die Höhle bringen lässt, um Weihrauch zu opfern, verschwin-
det der Schatten, und zeigt sich wieder, sobald die Flamme gelöscht wird, wor-
aus man abnehmen kann, von welcher Herkunft die Erscheinung war. - Man
sieht aus dieser Stelle zugleich, dass die Missionare oft mit Unrecht behaupten,
 
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