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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0105
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Stellenkommentar JGB 2, KSA 5, S. 16 85

ten Ranges können gar nicht entstehen, - das Werden wäre ihrer unwürdig,
sie sind allein das Seiende, und allein Gott ist - sie sind Gott/“ (KSA 14, 347)
16,14 f. die Metaphysiker] Vgl. NK 16, 2.
16,19f. Der Grundglaube der Metaphysiker ist der Glaube an die Gegen-
sätze der Wert he.] Wurde mit der den „Metaphysikern“ als direkte Rede in
den Mund gelegten Ontologie zu Beginn von JGB 2 insinuiert, dass es zum
metaphysischen Kernprogramm gehöre, die Entstehung von etwas aus seinem
Gegensatz zu leugnen, wird hier die Optik umgestellt: Nun erscheinen die Me-
taphysiker gerade als Gegensatz-Gläubige. Dabei geht es aber nicht mehr um
die Frage der Genese von etwas, sondern um dessen Sein, und zwar um das
Sein ganz bestimmter Gegenstände, nämlich das Sein von „Werthen“. Mit der
Behauptung, bestimmte für wünschenswert und erhabenen gehaltene Werte
stünden in einem unauflöslichen Gegensatz zu niedrigen Werten - z. B. Selbst-
losigkeit zu „Eigennutz“ (16, 33) - wird jedes Bestreben unterbunden, diese
erhabenen Werte genetisch zu erschließen und damit zu relativieren. Zwischen
erhabenen und niedrigen Werten besteht für die Metaphysiker nach dieser Di-
agnose also ein kontradiktorischer Gegensatz, während die „Philosophen des
gefährlichen Vielleicht“ (17, 10) dazu übergehen, hier nur einen konträren Ge-
gensatz zu sehen, der es erlaubt, das Eine (die erhabenen Werte) auf das Ande-
re (die niedrigen Werte) zurückzuführen oder zumindest eine solche Rückfüh-
rung für möglich zu halten.
„Werte“ als die zentrale Referenzgröße praktischer Philosophie und
menschlichen Handelns gewinnen übrigens erst in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts - besonders bei Hermann Lotze - jene Prominenz, die in N.s
späten Werken bereits als selbstverständlich erscheint. Vermittelt wurde N. die-
ses Reden von Werten namentlich über Friedrich Albert Lange (der der „Meta-
physik“ noch die Option einräumt, „die Welt des Seienden mit der Welt
der Werthe in Verbindung“ zu bringen - Lange 1876-1877, 2, 546 - während
Lotze 1884, 17 der Phantasie zutraut, „in der Welt der Formen die Welt
der Werthe“ zu entdecken) sowie über Otto Liebmann (1880). Vgl. NK 144,
24-26.
16, 23 selbst wenn sie sich gelobt hatten „de omnibus dubitandum“] Die Wen-
dung spielt auf die Grundfigur von Rene Descartes’ Versuch an, eine Neube-
gründung der Philosophie zu bewerkstelligen, indem man vorab alles dem
Zweifel unterwirft: „an allem muss man zweifeln“. Die von N. dafür benutzte
Formel mit dem Gerundiv „dubitandum“ kommt so in Descartes’ Werken aller-
dings nicht vor (immerhin aber in der lateinischen Übersetzung der von Des-
cartes französisch geschriebenen Lettre de l’autheur ä cely qvi tradvit le livre
zur französischen Ausgabe der Principia philosophiae: Descartes 1672, S. (**2)
 
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