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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0107
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Stellenkommentar JGB 2, KSA 5, S. 16-17 87

Nr. 179, S. 261, Z. 29). In den zeitgenössischen Lexika lautet ihre Definition
knapp und bündig: „Froschperspektive, die Ansicht eines Gegenstandes von
einem sehr tiefen Standpunkt, im Gegensatz zur Vogelperspektive“ (Meyer
1885-1892, 6, 753). Diese Verwendung lässt sich auch im allgemeinen wissen-
schaftlichen Sprachgebrauch der Zeit gelegentlich belegen, so bei dem von N.
studierten Neukantianer Otto Liebmann, freilich in einer Schrift, für die es bei
N. keine direkten Lektürebelege gibt (Liebmann 1884, 42).
1885 war aber nicht nur in N.s Nachlass das Jahr der Froschperspektive.
Auch ein etwas rätselhafter Tagebucheintrag von Heinrich von Stein vom
30. 09.1885 beginnt damit: „Nietzsche überraschend in Naumburg angetrof-
fen. / Froschperspektive. - In den Tropen wächst ein Feigenbaum, der eine zu
starke Krone treibt, als sein schwacher Stamm tragen kann. Also treibt er von
Stufe zu Stufe starke Fortsätze, mit denen er einen Eichbaum umarmt, an die-
sen emporkletternd. Die Eiche wird darüber zum Skelett. Man übertrage dies
ins Moralische.“ (KGB III 7/2, 480, zur Interpretation siehe Bernauer 1998, 187-
189). Über die Wachstumsbedingungen dieses „Feigenbaums“ spricht auch
JGB 258, siehe NK 207, 3-8. Dass Stein tatsächlich, wie Bernauer 1998, 188
mutmaßt, mit „Froschperspektive“ „wohl sein eigenes Gefühl“ habe ausdrü-
cken wollen, ist nicht zwingend. Eher scheint ihm dieses Stichwort von N., der
es bereits im Frühsommer 1885 benutzte, zugespielt worden zu sein. Zur
„Gangart des Frosches“ siehe NK 45, 25-31, zum Gegensatz „esoterisch“ / „exo-
terisch“ als Perspektivenunterscheidung „von oben“ / „von unten“ siehe NK
48, 14-22.
16, 31 f. dem Wahren, dem Wahrhaftigen, dem Selbstlosen] In W I 5 hieß es
stattdessen noch: „der Wahrheit, der Wahrhaftigkeit, der selbstlos genannten
Handlung, der »Meeresstille4 in der künstlerischen Anschauung“ (KSA 14, 347).
17,11 f. Und allen Ernstes gesprochen: ich sehe solche neue Philosophen herauf-
kommen.] KSA 14, 347 teilt dazu als Vorarbeiten aus W I 5 mit: „(1) Es wäre
endlich sogar möglich - und ich bin auch dieses Glaubens bekenne mich auch
noch dazu! - daß, was an jenen zuerst gerühmten Dingen werthvoll ist, es
eben nur dadurch ist, daß sie im Grunde und unnachgiebig gesehen, eben gar
nichts anderes sind als eben jene scheinbar entgegengesetzten Dinge deren
Ruf die Metaphysiker bisher so elend mitgespielt haben—und deren Ehre noch
von Niemandem „gerettet“ worden ist und Zustände. Aber wer hat den Muth
diese „Wahrheiten“ ohne Schleier zu sehen! Vielleicht giebt es auch vor sol-
chen Problemen und Möglichkeiten eine erlaubte Keuschheit. - (2) es ist mein
Glaube! Vielleicht steht es noch viel schlimmer muß man seinen Verdacht noch
einen Schritt weiter treiben - und ich habe es gethan - : Es wäre nämlich sogar
noch möglich daß, was den Werth jener guten und verehrten Dinge ausmacht,
 
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