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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0589
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Stellenkommentar JGB 207, KSA 5, S. 134-136 569

ehe für „wertlosen Rest“ ein. Teichmüller 1882, 171 benutzte sie z. B. in seiner
Kritik an Spinoza: „seine Substanz“ sei „ein blosses caput mortuum, aus
der Tradition herübergenommen, ohne dass er selbst neues Leben durch eine
neue Ableitung diesem sterilen terminus eingeflösst hätte“. Bei Bourget 1886,
274 f. hat N. das folgende Zitat von Henri-Frederic Amiel mit einem Randstrich
und einem „NB“ markiert: „la langue frangaise ne peut rien exprimer de nais-
sant, de germant, eile ne peint que les effets, les resultats, le caput mortuum,
mais non la cause, le mouvement, la force, le devenir de quelque phenomene
que ce /275/ soit“ („die französische Sprache kann nichts Entstehendes, Kei-
mendes ausdrücken, sie malt nur die Wirkungen, die Ergebnisse, das caput
mortuum, aber nicht die Ursache, die Bewegung, die Kraft, das Werden, von
welchem Phänomen es auch /275/ sei“).
136,10 un tour de force] Französisch, frei übersetzt: „ein Kraftakt“. Im Druck-
satz der Erstausgabe stand ursprünglich: „eine tour de force“ (Nietzsche 1886,
143). Die Korrektur erfolgte dort durch die „Berichtigungen“ auf der unpagi-
nierten letzten Seite der Erstausgabe (ebd., 272).
136, 12 Totalismus] Das Wort „Totalismus“ brauchte N. nur hier sowie in der
Vorarbeit NL 1885/86, KSA 12, 1[218], 58, 16 (entspricht KGW IX 2, N VII 2, 21,
10-12), die sich gleichfalls gegen das Objektivitätsideal richtet. „Totalismus“,
erst noch „heiterer“, entspricht mitnichten, wie Gebhard 1983, 6 behauptet
„weitgehend dem Selbst- und Existenzideal des späten Nietzsche“ (vgl. auch
ebd., 328), sondern repräsentiert wenigstens in N.s eigenem Vokabular etwas
Unerwünschtes, versagte er sich doch im Unterschied zu den „objektiven Geis-
tern“ gerade den Glauben an die Totalerfassbarkeit des Wirklichen und daran,
dass eine solche Totalerfassung auch nur wünschenswert wäre. Das Wort „To-
talismus“ kommt in der zeitgenössischen philosophischen Fachliteratur selten
als Synonym für eine Alleinheitslehre vor (vgl. z. B. Erdmann 1878, 2, 7 u. 302).
N. dürfte es eher aus Frederik Willem van Eedens Brief an ihn vom 23.10.1885
aufgegriffen haben, wo van Eeden statt für „Nihilismus“ für „Totalismus“ als
„Aufgehen in das Ganze“ plädierte (KGB III4, Nr. 305, S. 66, Z. 28-36, vollstän-
dig zitiert in NK 71, 2-4).
136,15 f. „Je ne meprise presque rien“ — sagt er mit Leibnitz] Französisch: „Ich
verachte fast nichts“. Dieses Zitat aus Leibniz’ Brief an Louis Bourguet vom
03. 01.1714 dürfte N. schwerlich bei Leibniz selbst gefunden haben; es wurde
in der Leibniz-Literatur gelegentlich als Selbstcharakterisierung des deutschen
Universalgelehrten herangezogen, so etwa von Ludwig Feuerbach in seiner Ge-
schichte der neuern Philosophie (Feuerbach 1837, 19). Auffällig ist, dass zeit-
gleich zum Erscheinen von JGB Anfang August 1886 das Leibniz-Zitat auch in
einem Aufsatz für die Revue des deux mondes vom 01. 08.1886 aus der Feder
 
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