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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0682
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662 Jenseits von Gut und Böse

einzigen, an ihren Sohn adressierten Wort gezeigt: ,Mein Freund, erlauben Sie
sich immer nur die Verrücktheiten, die Ihnen großes Vergnügen bereiten wer-
den/“). Auch wenn N. die berühmte Saloniere undfemme de lettres Anne-The-
rese de Lambert, Marquise de Saint-Bris, geborene de Marguenat de Courcelles
(1647-1733) sonst nie erwähnte, liegt zumindest JGB 127 eine von ihr angestoße-
ne Debatte mit zugrunde, siehe NK 95, 11-13.
236.
173, 16-21 Das, was Dante und Goethe vom Weibe geglaubt haben — jener,
indem er sang „ella guardava suso, ed io in lei“, dieser, indem er es übersetzte
„das Ewig-Weibliche zieht uns hinan“ ich zweifle nicht, dass jedes edlere
Weib sich gegen diesen Glauben wehren wird, denn es glaubt eben das vom
Ewig-Männlichen ...] Das Dante zugeschriebene Wort hat N. in NL 1882, KSA 10,
3[1]313, 91, 1-3 schon einmal zitiert: „Reife des Mannes: das heißt den Ernst
wiedergefunden haben, den man als Kind hatte, beim Spielen. / ,Ella guardava
suso, ed io in lei‘ Dante. Und ich in ihr!“ Übersetzt bedeutet es: „Sie sah nach
oben, und ich sah auf sie“ und ist eine Adaption von Dante Alighieri: Divina
Commedia, Paradiso II 22: „Beatrice in suso, ed io in lei guardava“ („Beatrice
nach oben, und ich sah auf sie“). Die Umstellung gegenüber der Vorlage -
die Ersetzung des Eigennamens durch das Personalpronomen, die Stellung des
Prädikats - ist nun freilich nicht N.s Innovation, sondern kommt in der zeitge-
nössischen kulturgeschichtlichen Literatur gelegentlich vor (z. B. Legouve
1849,141 u. Vandam 1878, 1, 57), so dass die Vermutung naheliegt, N.s Adapti-
on beruhe nicht auf der eigenständigen Verarbeitung einer Dante-Originallek-
türe, sondern sei ein Fundstück aus zweiter Hand. N. liebte es, die Schlussver-
se des Chorus mysticus in Goethes Faust II „Das Ewig-Weibliche / Zieht uns
hinan“ (V. 12110 f.) aufzurufen (vgl. z. B. NK KSA 6, 18, 10-13 u. NK KSA 6,
305, 30 f.). Der bildungsbürgerliche Zitatballast ändert freilich nichts an der
dürftigen Aussage von JGB 236 (vgl. Pestalozzi 2012, 36 f.), wonach edlere Frau-
en an die hinaufziehende, erhebende Wirkung des „Ewig-Männlichen“ glaub-
ten. N.s Brief an Heinrich von Stein vom 15.10.1885 macht den biographischen
Bezug dieser Behauptung deutlich, wenn er über Lou von Salomes Roman Im
Kampf um Gott (1885) urteilt: „Alles Formale daran ist mädchenhaft, weichlich,
und in Hinsicht auf die Prätension, daß ein alter Mann hier als erzählend ge-
dacht werden soll, geradezu komisch. Aber die Sache selber hat ihren Ernst,
auch ihre Höhe; und wenn es gewiß nicht das Ewig-Weibliche ist, was dieses
Mädchen hinanzieht, so vielleicht das Ewig-Männliche.“ (KSB 7/KGB III/3,
Nr. 634, S. 100, Z. 18-23; ähnlich am 17.10.1885 an Overbeck, KSB 7/KGB III/3,
Nr. 636, S. 102, Z. 53-55.) Die Faszination durch das „Ewig-Männliche“ findet
 
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