Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0685
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar JGB 237, KSA 5, S. 174 665

275. Manch ein Leser mag in 174, 7 wie Przybyszewski 1965,147 ein von N. „an
seine Schwester“ adressiertes „verbissen-boshafte [s] Epigramm“ zu erkennen
wähnen.
174, 8 Edler Name, hübsches Bein, Mann dazu: oh wär’ e r mein!] Im Druckma-
nuskript stand statt „Mann dazu: oh wär’ er mein!“: „Hüte dich, Gold-Vöge-
lein!“ (KSA 14, 367). Biographisch ambitionierte Interpreten werden natürlich
nicht zögern, hier den ,edlen Namen4 Lou von Salome einzuwerfen.
174, 9 Kurze Rede, langer Sinn — Glatteis für die Eselin!] Die Umkehrung des
geflügelten Wortes nach Questenbergs Frage in Friedrich Schillers Die Piccolo-
mini I 2: „Was ist der langen Rede kurzer Sinn?“ hat schon der schwäbische
Dichter Johannes Nefflen (1789-1858) in unsterbliche Verse gegossen: „Doch
jetzt folg, auf kurze Rede / Erst der Deutung langer Sinn. / Langer wär der
Kniffe Kette. / Wärf ’ ich sie auf einmal hin. / Kommen wir nun zur Geschichte. /
Die sich dehnet im Gedichte. / Ernst wird jetzt die Poesie, / Darum auch die
Melodie.“ (Nefflen 1841, 240) Als „animal messianum“ (vgl. Sommer 2000a,
85, Fn. 208) wird die Eselin in 174, 9 wohl nicht verstanden (vgl. aber NL 1880,
KSA 9, 10[D80], 430 f.!). Vielmehr geht es um „das Weib an sich“, das die
sprichwörtliche Dummheit des Esels teilt und deshalb auf dem gedanklichen
Glatteis dieser Sentenzen ausrutschen würde - im Gegensatz zu jenem ,guten
Tänzer4, von dem in FW Vorspiel 13 die Rede ist: „Glattes Eis / Ein Paradeis /
Für Den, der gut zu tanzen weiss“ (KSA 3, 356, 7-9).
237[aJ.
174,11-15 Die Frauen sind von den Männern bisher wie Vögel behandelt worden,
die von irgend welcher Höhe sich hinab zu ihnen verirrt haben: als etwas Feine-
res, Verletzlicheres, Wilderes, Wunderlicheres, Süsseres, Seelenvolleres, — aber
als Etwas, das man einsperren muss, damit es nicht davonfliegt.] In NL 1882,
KSA 10, 3[1] 133, 69,11 sowie Za I, Vom Freunde, KSA 4, 73, 7 f. stehen als anima-
lische Identifikationen für das weibliche Geschlecht auch noch Katzen und
Kühe zur Verfügung, vgl. NK 96, 4-9. JGB 237[a] verzichtet zumindest auf sol-
che Ontologisierungen, um scheinbar nur einen historischen Tatbestand im
Umgang der Männer mit Frauen zu resümieren, dass sie nämlich wie Vögel
behandelt, sprich: im Käfig gefangen gehalten worden seien. Dass diese Be-
merkung nicht bloß konstativ, sondern appellativ gemeint sein könnte, er-
schließt sich im intertextuellen Bezug zu JGB 238, wo die Behauptung im Vor-
dergrund steht, tiefsinnige Männer könnten Frauen stets nur als Eigentum an-
sehen (vgl. NK 175,12-25). Das anscheinend schmeichelhafte Bild, das sich die
„Männer bisher“ von den „Frauen“ (diesmal rücksichtsvollerweise nicht wie in
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften