Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0818
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
798 Jenseits von Gut und Böse

234, 22 f. Jede Philosophie ist eine Vordergrunds-Philosophie] In KGW IX 1,
N VII1, 8, 2-4 (NL 1885, KSA 11, 34[247], 504, 18f.) erscheint die „mechanisti-
sche Denkweise“ als „eine Vordergrunds-Philosophie“ und in KGW IX 4, W I
4, 26, 22f. (NL 1885, KSA 11, 36[32], 563, 29-564, 1) Leibniz als gefährlicher
Deutscher, „der Vordergründe rru. Vordergrunds-philosophien'' nöthig haf“.
War „Vordergrunds-Philosophie“ in diesem Zusammenhang noch eine
Schmähformel, um missliebige, nicht hinreichend tiefsinnige Philosophien zu
diskreditieren, egalisiert JGB 289 alle Philosophien zu Vordergrundsphilosophi-
en. Der Vordergründigkeit kann niemand entgehen, der spricht oder schreibt -
aber vermutlich auch derjenige nicht, der sich in bedeutsames Schweigen
hüllt. Vgl. Andreas-Salome 1894, 96.
234, 24-26 er hier stehen blieb, zurückblickte, sich umblickte, dass er hier
nicht mehr tiefer grub und den Spaten weglegte] Ursprünglich stand im Druck-
manuskript stattdessen: „ich hier stehen bleibe und mich umsehe, daß ich
hier nicht tiefer grabe und den Spaten weglege“ (KSA 14, 374).
290.
234, 30-235, 2 Jeder tiefe Denker fürchtet mehr das Verstanden-werden, als das
Missverstanden-werden. Am Letzteren leidet vielleicht seine Eitelkeit; am Erste-
ren aber sein Herz, sein Mitgefühl, welches immer spricht: „ach, warum wollt
ihr es auch so schwer haben, wie ich?“] Dass das Miss- und Nicht-verstanden-
Werden der hermeneutische Normalfall sei, wenn jemand Neues und Ungehör-
tes zu sagen hat, ist in N.s Spätwerk ein stehender Topos, der nicht zuletzt mit
dem geringen Widerhall seiner philosophischen Schriftstellerei, aber auch den
mangelnden Verstehensanstrengungen enger Freunde zusammenhhängt (vgl.
NK KSA 6, 167, 7-9; NK KSA 6, 298, 3-8; NK KSA 6, 371, 15 u. GM III 1, KSA 5,
339, 28-30). Die Pointe von JGB 290 besteht darin, dass sich der „tiefe Denker“
hier als ein Vornehmer stilisiert, dem am Verstanden-Werden eigentlich gar
nicht liegt, sondern der aus Güte das Missverstanden-Werden vorzieht, denn
die Menschen vermögen das, was er zu sagen hat, eigentlich nicht auszuhal-
ten. Die performative Absicht ist eine entgegengesetzte, nämlich (die Verwege-
nen) erst recht neugierig auf das Grundstürzend-Unaushaltbare zu machen.
Siehe Salis-Marschlins 1897, 22-26; Behler 1975, 20; Kaufmann 1981/82, 129f.;
Sloterdijk 1986, 128 u. Renzi 1997a, 338.
291.
235, 4-11 Der Mensch, ein vielfaches, verlogenes, künstliches und undurchsichti-
ges Thier, den andern Thieren weniger durch Kraft als durch List und Klugheit
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften