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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0820
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800 Jenseits von Gut und Böse

Trieben und diese bilden allen Gesetzbüchern und Dogmen zum Trotz für ihn
den wahren kategorischen Imperativ.“
Vgl. zu JGB 291 auch Piazzesi 2007, 267 u. Bertino 2011, 217.
292.
235,13-22 Ein Philosoph: das ist ein Mensch, der beständig ausserordentliche
Dinge erlebt, sieht, hört, argwöhnt, hofft, träumt; der von seinen eignen Gedan-
ken wie von Aussen her, wie von Oben und Unten her, als von seiner Art Ereig-
nissen und Blitzschlägen getroffen wird; der selbst vielleicht ein Gewitter ist, wel-
ches mit neuen Blitzen schwanger geht; ein verhängnissvoller Mensch, um den
herum es immer grollt und brummt und klafft und unheimlich zugeht. Ein Philo-
soph: ach, ein Wesen, das oft von sich davon läuft, oft vor sich Furcht hat, —
aber zu neugierig ist, um nicht immer wieder „zu sich zu kommen“.....] Die Vorar-
beit zu JGB 292 gehört zu einer Folge von Überlegungen über den Philosophen
in W I 8. Einen Teil davon hat N. in JGB 7 verwertet, vgl. NK 21, 2-12 u. NK 21,
12-17. Diese Überlegungen lauten: „Ein Philosoph: was für eine bescheidene
Creatur, wenn er ''wirklich'' seinem Namen treubleibt, - der rder'' nicht den
,Freund der Weisheit4 bezeichnet - Vergebung einem alten [,] Philologen4 - son-
dern nur ,einen, der weise Männer gerne hat4! rGesetzt also daß es'' Philoso-
phen also [geben soll], im griechischen Sinne - nun, heran zuerst mit den
,weisen Männern4! - Aber, meine Freunde, es scheint, wir lieben die unweisen
Männer mehr? Und vielleicht steckt darin unsere Weisheit? Wie! Sollten die
Weisen selbst - keine Philosophen sein? Sondern ,Philosophen4? / Wie boshaft
Philosophen sein können! Ich kenne nichts Giftigeres als den Scherz, den sich
Epicur gegen Plato u. die Platoniker ''erlaubte'': er nannte sie Dionysiokolakes.
Das bedeutet dem Wortlaute nach ru. im Vordergründe:'' Schmeichler des Dio-
nysios, also Tyrannen »Zubehör4 u Speichellecker: - zu alledem noch, rwill es
aber noch sagen (ein Jeder'1 für jeden, denweiß-daß rmit welchem Namen'1 man
in Griechenland den Schauspieler beehrte,—: ,das sind alles Schauspieler, das
''daran'' ist nichts Achtes4 (- denn Dionysokolax war eine populäre Bezeich-
nung des Schauspielers.) Und das Letztere ist eigentlich die Bosheit, welche
Epicur abschoß: ihn verdroß die großartige Manier, das Sich-in-Scene-setzen,
worauf sich Plato wie seine Schule verstand - und das rworauf sich'1 Epicur
nicht verstand! dieser rer, der"1 alte Schulmeister von Samos, der in seinem
Gärtchen versteckt saß u. 300 Bücher schrieb, rwer weiß? vielleicht'' aus Wuth
u. Ehrgeiz gegen Plato? - Es brauchte hundert Jahre Zeit, bevor Griechenland
dahinter kam, wer dieser Epicur gewesen war. / Ein Philosoph: ein Mensch,
der rzu viele beständig'' außerordentl. Dinge rin sich'1 erlebt ru. sie nieder-
zwingt'', hat, - der 'von'' neuen ''seinen'' Gedanken wie neuen Ereignissen u.
 
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