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Ernst, Max; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1926, 4. Abhandlung): Über Anlagen von Organen, die nicht zur Ausbildung gelangen — Berlin, Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.43400#0010
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Max Ernst: Über Anlagen von Organen.

Seiten der Spalte Zwischenkieferanlagen, die meist auch zu einer Ver-
doppelung des lateralen Schneidezahns führen. Diese Doppelung des
Zwischenkiefers ist nur so zu verstehen, daß das Blastem sowohl am
Nasen- als auch am Oberkieferfortsatz schon gebildet ist, bevor es
mikroskopisch nachweisbar wird, so daß also bei ausbleibender Ver-
schmelzung jedes Stück für sich wachsen kann. Während wir aber
nach den bisherigen Untersuchungen nur den Beweis erbringen konnten,
daß im Individuum die Organanlage schon vor der morphologischen
Ausbildung vorhanden ist, gibt uns die vergleichend-entwicklungs-
geschichtliche Untersuchung der bioreduktiven Vorgänge die Möglich-
keit, Anlagen von Organen zu erkennen, die morphologisch überhaupt
nicht mehr zur Ausbildung kommen. Nur die Beachtung der Degene-
rationen läßt uns die Stelle finden, wo die Paraphyse zur Anlage kommen
sollte, oder beweist, daß die erste Anlage der Vor- und Urniere bei
der Maus kaum geringer ist als beim Schwein. So kann das Vor-
kommen von zugrunde gehenden Zellen ein Hinweis dafür sein, daß
an einer Stelle die Anlage eines Organes verborgen liegt. Ich denke
hier z. B. an das Tuberculum impar der Zunge, das als rudimentärer
Kiemenbogen aufgefaßt wird. In dem Tuberculum itnpar ist bei allen
Tieren eine Stelle, an der dicht gedrängt zugrunde gehende Zellen
liegen, die sich auch nach beiden Seiten verfolgen lassen. Da irgend-
welche Entwicklungsmechanismen als Ursache des Zellzerfalls gar nicht
in Betracht kommen können, halte ich das Auftreten der Degenerationen
für eine wertvolle Unterstützung obiger Ansicht.
Zusammenfassung:
1. Die Spezifität der Blastemzellen ist schon zu einem Zeitpunkt
vorhanden, in dem von der Gestaltung des Organs noch nichts nach-
gewiesen werden kann (Zwischenkiefer).
2. Für Organe, die bei höher entwickelten Tieren nicht zur An-
lage kommen, können bestimmte Zellgruppen in der Ontogenie reserviert
sein; diese sind daran kenntlich, daß sie bei Nichtausbildung des
Organs zugrunde gehen (Urniere, Vorniere, Paraphyse).
3. Die vergleichend-entwicklungsgeschichtliche Bewertung des Zell-
untergangs gestattet, Organanlagen zu erkennen, die bisher der Be-
trachtung entgingen.
 
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