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Liepmann, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1926, 6. Abhandlung): Leichengeburt bei Ichthyosauriern: eine paläobiologische Studie — Berlin, Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.43402#0004
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4

Wilhelm Liebmann:

Ferner sehen wir in Fig. 3 Tafel II gewissermaßen als Vorstufe ein
Jungtier, dessen Kopf dem Kopf des alten Tieres zugekehrt ist, und das
noch gänzlich im Bauchraum liegt. Wirbelsäule und Schwanz sind hier
so schlecht erhalten, daß man über beide nichts genaueres aussagen kann.
Und schließlich sehen wir in Fig. 4 Tafel III ein vorzüglich erhaltenes
Jungtier, dessen Kopf wiederum dem Kopf des Alttieres zugekehrt ist,
dessen Schwanz die leichte Ventralflexion der Jungtiere zeigt, das mit
einem Wort gewissermaßen die kinematographische Vorstufe des Geburts-
vorgangs von Fig. 1 darstellt. Gerade die in Fig. 1 und 2 dargestellten
Präparate müssen das Interesse des paläontologisch interessierten Gynä-
kologen wachrufen, weil sie zunächst den Eindruck wecken, als wären
die Tiere im Moment des Kreißens fossil geworden, während
die Fig. 3 und 4 das Vorstadium dieses Geburtsvorganges trefflich illu-
strieren. Und aus dieser Überlegung heraus müssen wir ganz kurz den
gegenwärtigen Stand der Viviparität der Ichthyosaurier überhaupt be-
leuchten. In dem ausführlichen Werk vonE. Fraas über die Ichthyosau-
rier (1. c.) wird nach den vorliegenden fossilen Befunden, besonders auch
nach einem bildlich dargestellten embryonal gekrümmten Tiere mit
Sicherheit angenommen, daß die Ichthyosaurier vivipar gewesen sind, und
diese Annahme wird wesentlich gestützt durch ein von Hauff präpariertes
Muttertier, neben dem sich Embryonen in typischer Lagerung befinden.
Fig. 5 Tafel III. Einen besonders schön gekrümmten Embryo im Muttertier
findet man in einem anderen Präparat von B. Hauff, das ich in Abb. 11
meiner ,,Weltschöpfung und Weltanschauung“1) dargestellt habe. Die
meisten Paläontologen und Paläobiologen sind heute der Meinung, daß
die Ichthyosaurier, wie wir es auch bei rezenten Reptilien und bei zahl-
reichen anderen Tierarten sehen, insbesondere den meisten Haifischen,
lebendig gebären. Bei den rezenten Nattern können wir beobachten,
daß einzelne Arten derselben sowohl zum Eierlegen wie zum Lebendig-
gebären, je nach der Gunst oder Ungunst der Umwelt, befähigt sind. Und
die Ungunst der Umwelt spricht bei den Ichthyosauriern (3) unzweifel-
haft zugunsten der Viviparität. Sie waren rein marine Tiere, bei denen
das Lebendiggebären wie bei den Delphinen vorausgesetzt werden mußte,
selbst wenn die genannten fossilen Funde nicht vorlägen. Besonders
interessant hat jüngst Pompecky diese Verhältnisse geschildert (11):
„Und wenn infolge solchen Zwanges die Ichthyosaurier auch zu den höchst
vollendeten Schwimmern geworden sind, so wurden sie dadurch doch
andererseits wieder in ihren Lebensmöglichkeiten mehr eingeschränkt
als gefördert. Nach ihrer Körperform, nach Bau und Stellung ihrer zu
Paddeln umgestalteten Vorderextremitäten hatten sie — wie später die

) Quelle & Meyer, II. Aufl. 1926. Original in Holzmaden.
 
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