Naturwissenschaftliche Ästhetik.
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Wände gleichsam mit Ausguckfenstern versehen werden, während die
vierte durch die wirkliche Fensteröffnung das äußere Licht hinzuläßt.
Dies ist historisch deutlich nachzuweisen an der Entwicklung der pro-
testantischen Niederlande zum Malervolke, da ihm durch den Calvi-
nismus die architektonische Gestaltung der Häuser nach außen hin
versagt und zugleich (durch die Arbeit „um Gottes willen“ und die
Einschränkung des Genusses desgleichen) die Zahlungsfähigkeit in hohem
Maße gesteigert war. Malerei gewährt die Aussicht auf Schönheit und
Interessantes aller Art in dem stillen Kämmerlein ohne Platzverbrauch,
da sie alles auf die Fläche zaubert. Daher auch der Kähmen mit
dem Rahmen eines Fensters oder einer Ausguckluke vergleichbar ist
und als solcher stilistisch behandelt sein will.
Bildhauerei aber gehört in den freien Raum des Parkes, Gartens,
des Palastes und der Tempelhalle. Daß man bei ihr auf Färbung oder
wenigstens auf naturalistische Färbung verzichtet, hängt mit der Frage
nach der Illusion in der Kunst zusammen, die so groß sein muß, daß
sie das Gefühl der Möglichkeit des „Als ob“ verbreitet, aber nicht so
groß, um bis an die Grenze des Verwechselns zu führen, da der Schrecken
der Täuschung etwas Unästhetisches ist. Um dies zu verhüten, dient
auch der Sockel der Bildsäule.
Weitere Ausführung dieser Dinge in noch zu veröffentlichenden Auf-
sätzen. Uber Landschaftsmalerei: Neue Heidelb. Jahrb. 1910 S. 182..
9. Was die Theorie der Musik anlangt, so ist naturwissenschaftlich
seit lange und namentlich durch Helmholtz festgestellt, daß die Har-
monie der Töne sich aus den Zahlenverhältnissen ihrer Wellenlängen
erklären lasse. Aber warum packen gerade die durch das Gehör ver-
mittelten Erschütterungen unserer Psyche diese so besonders mächtig
und greifen in unser Seelenleben ein wie keine anderen physischen
Reize? Die Antwort ist, weil der seelische Verkehr der Menschen unter-
einander durch die Stimme derselben vermittelt wird. Musik ist nichts
anderes als eine künstlerisch ins Unendliche schweifende Modulation der
Menschenstimme, die sich zuerst zum Gesänge erhebt, dann aber von
der UnVollkommenheit des natürlichen Organs sich ablöst und durch
Werkzeuge, die in diesem Falle Instrumente heißen, vervollkommnet
wird zu Leistungen, die uns als Engelsgesang erscheinen und zu nie
geahnten Höhen geistigen Genusses emporheben. Vgl. Preuß. Jahrb.
1909, 137, S. 43.
10. Auch noch bis zu den unteren Stufen der Dichtkunst führen
die Sprossen unserer Leiter. Z. B. der Wohllaut des Reimes wird auf
die Weise erklärt, daß an die Klangnachahmung der Sprache
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Wände gleichsam mit Ausguckfenstern versehen werden, während die
vierte durch die wirkliche Fensteröffnung das äußere Licht hinzuläßt.
Dies ist historisch deutlich nachzuweisen an der Entwicklung der pro-
testantischen Niederlande zum Malervolke, da ihm durch den Calvi-
nismus die architektonische Gestaltung der Häuser nach außen hin
versagt und zugleich (durch die Arbeit „um Gottes willen“ und die
Einschränkung des Genusses desgleichen) die Zahlungsfähigkeit in hohem
Maße gesteigert war. Malerei gewährt die Aussicht auf Schönheit und
Interessantes aller Art in dem stillen Kämmerlein ohne Platzverbrauch,
da sie alles auf die Fläche zaubert. Daher auch der Kähmen mit
dem Rahmen eines Fensters oder einer Ausguckluke vergleichbar ist
und als solcher stilistisch behandelt sein will.
Bildhauerei aber gehört in den freien Raum des Parkes, Gartens,
des Palastes und der Tempelhalle. Daß man bei ihr auf Färbung oder
wenigstens auf naturalistische Färbung verzichtet, hängt mit der Frage
nach der Illusion in der Kunst zusammen, die so groß sein muß, daß
sie das Gefühl der Möglichkeit des „Als ob“ verbreitet, aber nicht so
groß, um bis an die Grenze des Verwechselns zu führen, da der Schrecken
der Täuschung etwas Unästhetisches ist. Um dies zu verhüten, dient
auch der Sockel der Bildsäule.
Weitere Ausführung dieser Dinge in noch zu veröffentlichenden Auf-
sätzen. Uber Landschaftsmalerei: Neue Heidelb. Jahrb. 1910 S. 182..
9. Was die Theorie der Musik anlangt, so ist naturwissenschaftlich
seit lange und namentlich durch Helmholtz festgestellt, daß die Har-
monie der Töne sich aus den Zahlenverhältnissen ihrer Wellenlängen
erklären lasse. Aber warum packen gerade die durch das Gehör ver-
mittelten Erschütterungen unserer Psyche diese so besonders mächtig
und greifen in unser Seelenleben ein wie keine anderen physischen
Reize? Die Antwort ist, weil der seelische Verkehr der Menschen unter-
einander durch die Stimme derselben vermittelt wird. Musik ist nichts
anderes als eine künstlerisch ins Unendliche schweifende Modulation der
Menschenstimme, die sich zuerst zum Gesänge erhebt, dann aber von
der UnVollkommenheit des natürlichen Organs sich ablöst und durch
Werkzeuge, die in diesem Falle Instrumente heißen, vervollkommnet
wird zu Leistungen, die uns als Engelsgesang erscheinen und zu nie
geahnten Höhen geistigen Genusses emporheben. Vgl. Preuß. Jahrb.
1909, 137, S. 43.
10. Auch noch bis zu den unteren Stufen der Dichtkunst führen
die Sprossen unserer Leiter. Z. B. der Wohllaut des Reimes wird auf
die Weise erklärt, daß an die Klangnachahmung der Sprache