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Mayer, Adolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1927, 6. Abhandlung): Naturwissenschaftliche Ästhetik — Berlin, Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.43533#0009
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Naturwissenschaftliche Ästhetik.

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und befriedigende Antworten gibt. Für unsern naturwissenschaftlich
•empirischen Ausgangspunkt ist die Kunst der schöne Schein, der Trost
für die Unvollkommenheit des Wissenschaftlichen und Wahren. Von
jener idealphilosophischen Einheit des Wahren und des Schönen wollen
wir heute nicht mehr wissen; wir begnügen uns mit einer Wahrschein-
lichkeit, die die Wahrheit illusionistisch vortäuscht. Daher auch die
Wandelung des Geschmacks im Laufe der Zeiten; die Not der Kunst
in den Zeiten der Aufklärung, wo die Nachahmung des Naturalismus
an Stelle der Täuschung tritt und diese zunichte macht, ausgeführt
in den Aufsätzen: Kunstgeschmack: Heidelb. Jahrb. 1909, S. 257;
Was ist Kunst?: Heidelb. Jahrb. 1916, S. 160 und Das Ideal in
Wandlung und auf der Wanderung: Die Gegenwart 1911, 41,
S. 692.
13. Eine andere die ganze Ästhetik umfassende Frage ist dann die
nach den Grenzen der Kunst, nicht bloß ihr Verhältnis zur Wissenschaft,
sondern zur Religion und insbesondere zu der Moral. In einem beson-
deren Essay habe ich zu zeigen versucht, daß man die Religion selbst
als Kunst betrachten kann, wenn damit auch nicht ihr ganzes Wesen
erschöpft ist. Wissen und Wehr 1921 S. 175. Dies berührt nur die
tröstliche Seite der Religion.
14. Die andere Seite der Religion, ihre Sollseite oder die Moral, hat
mit der Kunst nichts zu tun, sondern vielmehr mit der Wissenschaft.
Hier erscheint eine säuberliche Grenzscheidung notwendig, aber nicht
die moderne viel beliebte: Die Kunst habe mit der Moral nichts zu tun,
sie sei amoralisch und könne gelegentlich auch unmoralisch sein. Die
Scheidung ist da, und ganz gewiß gibt es große Kunstwerke, die un-
zweifelhaft unmoralisch wirken. Aber man soll dabei sich nicht be-
ruhigen und der Sache ihren Lauf lassen, sondern sich in jedem besondern
Falle fragen, ob die künstlerische Leistung die moralische Schädigung
weit überwiege oder ob das Gegenteil der Fall sei. In dem letzteren
Sinne wurde der Dichter Heine vor allem scharf unter die Lupe ge-
nommen (Glauben und Wissen 1908 S. 127) und die ganze Frage unter
dem Titel: Kunst und Sittlichkeit in Der Geisteskampf der
Gegenwart 1910 S. 171, und unter dem: Simplicissimus in
Glauben und Wissen 1910, S. 401 behandelt.
Es muß eben, um es so auszudrücken, ein erträgliches Verhältnis
zwischen angerichteten moralischen Schäden und der Freude am Schönen
bestehen, damit den Genießern diese Freude nicht allzu teuer zu stehen
kommt, gerade wie zwischen Kunstwert und dem Preise desselben ein
verständiges Verhältnis bestehen muß.
 
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