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Mayer, Adolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1928, 13. Abhandlung): Naturwissenschaftliche Apologetik des Christentums — Berlin, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.43555#0015
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Naturwissenschaftliche Apologetik des Christentums. 15
richtung nach ein unverdächtiger Zeuge in dieser Angelegenheit, hat
bekanntlich historisch nachgewiesen, daß der moderne Kapitalismus,
die große wirtschaftliche Erscheinung der Kultur des Westens, in deutlich
kausalem Zusammenhänge steht mit dem Bekenntnis des Calvinismus.
Dieser proklamierte im Gegensätze zum Katholizismus und zum Luther-
tum wirtschaftliche Arbeit um Gottes willen und zugleich puritanische Ein-
schränkung des Genusses der erarbeiteten Güter, ergo Überschuß
an diesem: Kapital. —Eine zwingende und daher allgemein anerkannte
Schlußfolgerung, ein Kulturgesetz oder wenigstens eine Regel, die fest-
steht.
Wie man sich zum Kapitale stellt, ist dabei einerlei. Wir treiben hier
keine praktische Politik, sondern suchen nur Wissenschaft. Es zeigt sich
also unzweifelhaft, wie in hundert anderen noch nicht so deutlich heraus-
gearbeiteten Fällen, daß Religion mehr ist als Symptom eines Kultur-
standes, sie ist auch Ursache, sie ist Frucht und Samen zugleich.
Daß es auch schlechte Religionen gibt, natürlich. Es gibt auch schlechte
Früchte. Von den einzelnen historisch beglaubigten Fällen: Fettischdienst,
Molochdienst, spanischer Inquisition, brauchen wir nicht im besonderen zu
reden, ebensowenig wie von den Leopardenmenschen von Mittelafrika,
die auch von einem unerklärlichen fatalistischen Drange aus ihre Schand-
taten verüben und in einem gewissen Sinne religiös begeistert sind. Aber
das ist kein Grund, die religiösen Erscheinungen in ihrer Ursächlichkeit
zu verläugnen. Das ist nur ein Grund, nach den besten auszuschauen,
die natürlichen Zuchten zu veredeln, edle Zuchten, die durch den üblichen
Schlendrian der Menschen zur Seite geworfen sind, zur Geltung zu brin-
gen. -—Züchtung der Religionen? — Ja, es gibt so etwas: natürliche und
künstliche, gewaltsame, die letztere u. a. im Schulunterricht, und auch
historisch z. B. in den Gegenreformationen.
Diese Erwägungen über die soziale Bedeutung der Religionen und
des guten Einflusses der besseren unter ihnen sollen nun aber keineswegs
dazu führen, Bekenntnisse zu empfehlen und mit den Lippen anzunehmen,
von deren wissenschaftlicher Unwahrheit und Unmöglichkeit man im
Herzen überzeugt ist. Das wäre Jesuitenmoral, der wir nicht das Wort
reden möchten. Sie sollen nur dienen, die Untersuchung auf deren
Wahrheitsgehalt mit demselben Ernste und def ganzen Hart-
näckigkeit, die man auf die eigene Fachwissenschaft zu verwenden für
selbstredend erachtet, durchzuführen. Nur der Wille zum Glauben soll
erweckt werden, und man soll nicht Hals über Kopf in diesen hinein-
stürzen. •— Und dabei soll man beachten, daß die Dogmen, die als äußere
Stützen für ein Bekenntnis dienen, formal so ausgestaltet sein müssen, daß
sie dem Verständnis der breiten Masse zugänglich sind. Denn die Kirche
 
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