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Deecke, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1929, 9. Abhandlung): Zur Entstehung der Kare — Berlin, Leipzig, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.43582#0006
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6

W. Deecke:

Material zentrisch dem Ausgange zuschieben. Dadurch wird als
Schuttwall oder als Sturzmoräne quer über den Bachursprung ein
Trümmerwall gelegt, und zwar um so leichter, wenn sich schon eine
natürliche Gesteinsbarre vorher dort befand.
Ich sehe also in dem rutschenden Schnee und in den La-
winen die eigentlichen Bildner der Kare und nicht in der
sog. Rückwitterung der Wand unter dem Gletschereis. Auf die Be-
deutung des Schnees haben vor allem die Norweger, der Engländer
Bowmann und nach ihm Brückner schon hingewiesen und von den
deutschen Forschern Frech. Bowmann hat vor allem an den Hoch-
bergen von Peru beobachtet, was insofern interessant ist, als dort eine
wirkliche, ausgedehnte Vergletscherung wie in unserem Hochgebirge
sicher nie vorhanden war, selbst wenn sie im Diluvium größere Aus-
dehnung besaß. Aber als etwas Neues möchte ich hinzufügen, daß
die eigentliche Ausbildung der Kare aus Talschlüssen und Quellnischen
heraus im wesentlichen vor der eigentlichen Vereisung, d. h. vor der
Erfüllung der Höhlung mit wirklichem Gletschereis geschah oder, wie
eben gesagt, in Peru bei unvollständiger Entwicklung. Wir müssen
uns unsere Gebirge am Ende des Pliozäns als kräftig fluviatil erodiert
vorstellen. Dabei hatten sich an den Hängen und Talflanken viele,
mehr oder minder hoch hinaufreichende, mit Vegetation bedeckte
Schutthalden und Schuttkegel aufgehäuft. Man stelle sich nun vor,
wie diese lockeren Massen ständig immer mehr durchnäßt wurden,
wie ein spätes Frühjahr, ein feuchter Sommer, ein schneereicher Herbst
solche Schutthänge beeinflußten; es muß das Ganze zusammensacken und
das steilere, frische Gestein langsam von oben her mehr und mehr her-
vorkommen. Mit Zunahme der Kälte und der Frosttage bildete sich
ein Zustand heraus, der an die arktischen Gleitböden und Steinrutsche
erinnerte, und bei kräftigen Höhenunterschieden ist dann ein rutschen-
der Schnee des Herbstes oder eine niedergehende Lawine Veranlassung,
daß bedeutende Massen dieser Gesteinsdecke zu Tal fahren und sich
unten teils eben ausbreiten auf dem immer schärfer abgesetzten Tal-
boden, teils sich wallartig auftürmen.
Es handelt sich also bei dieser Auffassung als Endresultat um
ein Relief, das durch zahlreiche, immer wiederkehrende Bergrutsche,
Bergschlipfe und Lawinen hervorgebracht ist und in einem trichter-
artigen Talanfang an allen Hängen gleichmäßig erfolgte. Daher ist
das Endergebnis den Abrißnischen morphologisch so außerordentlich
ähnlich und ist diesen nicht nur analog, sondern unmittelbar homolog.
Der einzige Unterschied ist der, daß diese steilwaudigen Kessel nicht
einer einzigen oder wenigen großen Katastrophen ihre Form verdanken,
 
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