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Bettmann, Siegfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1930, 8. Abhandlung): Über Modellierungen des Gefäßendabschnittes, 1: Die Beziehung der Kapillarformen der Lippe zur Physiognomie — Berlin, Leipzig, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.43607#0006
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6

Bettmann :

0. Müller hatte in seinem Kapillarbuch bereits darauf ver-
wiesen, daß an den Wangen die eigentlichen Kapillaren in mäßiger
Anzahl streifenförmig, ziemlich langgezogen und nicht in Schleifen-
form sichtbar seien. Dem gegenüber sei das subpapilläre Venen-
geflecht sehr reichlich entwickelt, so daß in der Tiefe ein ganzes
Netz solcher anastomosierender Venen mit undeutlichen Konturen
sichtbar sei. Am ausführlichsten haben sich wohl Wetzel und
Zotterman1) mit diesen Anordnungen befaßt, die wir in Beziehung
zu den besonderen Leistungen der Gesichtshaut verstehen können.
Gewiß hat die Bildung dieser weiten lakunären Räume, die
unter pathologischen Bedingungen viel deutlicher erkennbar werden,
in ihrer Besonderheit gerade auch Beziehungen zu Faktoren, welche
die Physiognomie formen; es ist kein Zufall, daß sich gewisse Haut-
veränderungen im Gesicht, die auf Stauungen im Gefäßendab-
schnitt beruhen, vorzugsweise bei bestimmten physiognomisclien
Typen finden.
Versagt im Gesicht die Anwendung der Kapillarmikroskopie
für unsere Zwecke, so findet sich immerhin ein Gefäßbereich, an
dem genauere kapillarmikroskopische Untersuchungen möglich sind
und der in ausgezeichneter Weise erlaubt, auf die Fragen bezug
zu nehmen, die hier zur Diskussion stehen.
Es handelt sich um die Schleimhaut an der Innenseite der
Lippe, speziell der Unterlippe. Ihre Untersuchung hat mit keinen
wesentlichen technischen Einwänden und Schwierigkeiten zu rechnen.
Diese Fragen haben uns ausführlich beschäftigt2). Wir können also
hier darauf verzichten, genauer auf Apparaturen und die Berück-
sichtigung von Fehlerquellen einzugehen.
Der dem Kapillarmikroskop zugängliche Bezirk ist relativ
groß, die unvermeidliche mechanische Beeinflussung des Gewebes
durch Druck und Verziehung bleibt innerhalb solcher Grenzen,
daß die tatsächlichen Formen und Anordnungen der Gefäßchen
nicht beeinträchtigt werden. Übertriebene Zerrungen lassen sich
vermeiden, sie wären als solche nicht zu verkennen.
Wenn für das Studium von funktionellen Vorgängen an den
Kapillaren mit dem Bedenken gerechnet werden muß, daß das
ganze technische Vorgehen zuviel von unbeabsichtigten und un-
kontrollierbaren, mindestens aber nicht abschätzbaren Reizen ein-

1) Heart. Bel. 13.
2) Arch. f. Dermal, (im Druck!).
 
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