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Bettmann, Siegfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1930, 8. Abhandlung): Über Modellierungen des Gefäßendabschnittes, 1: Die Beziehung der Kapillarformen der Lippe zur Physiognomie — Berlin, Leipzig, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.43607#0008
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Bettmann :

Dabei ergibt sich aber für jeden Einzelfall der Ges amt eindruck
der größeren Einfachheit oder Kompliziertheit, und damit eine
gewisse Rubrizierungsmöglichkeit; Einzelformen von Kapillaren
werden so repräsentativ für größere Einzelbezirke, mehrere Einzel-
bezirke in ihrer Übereinstimmung oder Verschiedenheit repräsen-
tativ für den ganzen kontrollierbaren Bereich.
Für alle diese Feststellungen ist die Photographie wesentlich,
und zwar mehr noch als für die Erfassung der Formeigentümlich-
keiten der einzelnen Kapillaren für die Festlegung der Anordnungen.
Hierfür sind besonders geeignet Bilder in Vergrößerungen etwa
von 1 : 30 bis 1 : 60, die möglichst gute Übersicht erlauben und da-
bei doch soviel an Einzelheiten erkennen lassen, daß auch in dieser
Beziehung die Ansprüche erfüllt bleiben, umsomehr als nachträg-
liche stärkere Vergrößerungen zu Hilfe genommen werden können.
Zur Erklärung der Befunde müssen wir in erster Linie auf
lokale mechanische Einflüsse abheben. Aus der genaueren Be-
obachtung ergibt sich, daß der Reichtum der Kapillarformen an
der Mundschleimhaut und ihre gewaltigen Differenzierungen in
Beziehung zu setzen sind zur Fülle regionärer Formunterschiede
der Mund- und Kiefergegend und besonders abgestimmter mecha-
nischer Leistungen und daß sich in ihnen somit eine wunderbare
Anpassung ausdrückt. Form und Längenverhältnisse der einzelnen
Kapillaren stehen nicht nur in einem engen Verhältnis zur Aus-
prägung von Wellungen, die dem Papillarkörper der äußeren Flaut
entsprechen, sondern vor allem stellen die Fluren mit ihren unter-
schiedlichen Formen der einzelnen Kapillaren, ihren Flächenaus-
dehnungen und Richtungen Bereiche größerer oder geringerer Be-
weglichkeit und Bewegung dar, so daß wenigstens relative Ruhe-
zonen und Bewegungszonen, Spannungs- und Entspannungszonen
unterschieden werden können. So sind beispielsweise „Korkziehers-
formen, die ja eine gewaltige Entfaltungsfälligkeit besitzen, an
Stellen gebunden, die, wie man sich leicht überzeugen kann, be-
sonders starken Verziehungen und Spannungen unterworfen werden
können und solcher mechanischen Beanspruchung gewachsen sind;
und Bezirke mit zahlreichen gleichmäßig „grobspirochaetenartig“
gewellten Kapillaren deuten auf eine dauernde Entspannung eines
früher stärker gespannten Bezirkes.
Je mehr wir uns in die Analysen vertiefen, um so unabweis-
barer ergibt sich die Berechtigung und Notwendigkeit dieser Be-
trachtungsweise. Die unendliche Vielgestaltigkeit der Bilder ent-
 
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