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Vogel, Paul; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1933, 5. Abhandlung): Studien über den Schwindel — Berlin, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.43672#0027
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Studien über den Schwindel

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Seite an. Zwischen dem Reizmoment und dem Beginn der Fall-
reaktion liegt nur eine kurze Zeit (nach Gertz bei mittleren Strom-
stärken 0,1 bis 0,15 Sek.). Für das Auge des Beobachters setzt die
Fallreaktion fast sofort nach Stromschluß ein. Je nach der Aus-
gangsstellung der Vp. (Stehen mit geschlossenen oder gespreizten
Beinen, Sitzen) ist die motorische Reaktion verschieden (Fall-
reaktion, Rumpfneigung, Kopfneigung). Im Liegen ist überhaupt
keine motorische Reaktion zu erzielen, abgesehen von gewissen
Augenbewegungen. Fragt man die Vp., was sie während solcher
Versuche wahrnimmt, so berichtet sie, daß sie bei einiger Stärke
der Fallreaktion einen Zug nach der Seite bemerkt, der der moto-
rischen Reaktion entspricht, der Raum wird als feststehend erlebt,
Scheinbewegungen treten nicht auf.
Aber nicht alle Versuche verlaufen in der eben beschriebenen
Weise. Es kommt vor, daß die Fallreaktion nach dem Stromschluß
auf sich warten läßt. Die Vp. steht dann zunächst in gerader Haltung
da, erst einige Zeit später setzt die Neigung des Körpers ein oder sie
bleibt überhaupt aus. Die Vp. berichtet nach einem solchen Versuch,
daß es ganz anders gewesen sei als sonst. Sie hat keinen Zug nach der
Seite erlebt, sondern eine Scheinbewegung des Raumes oder ihrer
selbst. „Es war, als wenn alles nach der Seite abstürzen wollte oder
als wenn der Raum sich drehte.“ Diese Scheinbewegungen sind immer
nach der Seite der Kathode gerichtet, nicht wie die Fallreaktion nach
der der Anode. Sie sind im ganzen weniger deutlich, weniger diffe-
renzierbar als die bei den optokinetischen Versuchen auftretenden
Scheinbewegungen. Nicht alle Vpn. können sie klar beschreiben
und abgrenzen. Wir haben auch hier versucht, den Vpn. eine Hilfe
zu geben, um die Scheinbewegung regelmäßig hervorzurufen. Wir
gaben den Auftrag, ganz steif und fest während des Versuches stehen
zu bleiben, die Motorik zu fixieren. Auf diese Weise gelang es je
nach der Instruktion bald die Fallreaktion, bald die Scheinbewegung
in einem Versuch auftreten zu lassen.
Während aller galvanischen Reizversuche entsteht ein eigen-
tümlicher Druck im Kopfe, eine gewisse Dösigkeit, die bei manchen
Menschen so drückend wird, daß sie halb benommen sind und nicht
gut beobachten können. Bei diesen kommt es auch leicht zu vege-
tativen Störungen. Eine unserer Vpn. zeigte auch bei höheren
Stromstärken immer nur motorische Reaktionen, nie hatte sie
das Erlebnis einer Scheinbewegung. Das sind Beispiele für die
individuellen Verschiedenheiten. Auch hier kann erst durch den
 
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