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Vogel, Paul; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1933, 5. Abhandlung): Studien über den Schwindel — Berlin, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.43672#0053
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Studien über den Schwindel

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daß es in dem optokinetischen Versuch nicht bis zum Erbrechen
kam. Unter der optokinetischen Erregung vollzieht sich also eine
Wandlung der komplizierten Koordination der Magen- und Pylorus-
bewegungen, sodaß als Effekt nicht mehr eine Ausschüttung des
Mageninhaltes in den Dünndarm erfolgt, sondern eine solche in die
Speiseröhre angebahnt wird. Die Ähnlichkeit der optokinetisch
ausgelösten vegetativen Symptome mit den vestibulären bestimmte
Colley dazu, auch für die optokinetischen Reaktionen eine vesti-
buläre Genese anzunehmen, indem er nach Leidler (12) auf eine
beim Schwindel eintretende, vom Augenmuskelapparat ausgehende
rückläufige Alteration des zentralen Vestibularapparates rekuriert.
Diese recht anfechtbare Hypothese beruht auf der Annahme der
spezifischen Zuordnung des Schwindels und aller seiner Äußerungen
zum vestibulären System, die erst noch zu beweisen wären. Tat-
sache ist nur die Ähnlichkeit oder Gleichheit der vegetativen Sym-
ptome beim optokinetischen und vestibulären Schwindel.
Als Ergebnis der bisher mitgeteilten Beobachtungen kann zu-
nächst festgestellt werden:
1. die soeben angeführte Übereinstimmung der vegetativen
Symptombildung bei vestibulärem und optokinetischem Schwindel.
Dasselbe war bereits früher für die sensorischen und motorischen
Symptome gezeigt worden.
2. die an den vegetativen Organen (Pupillen, Magen-Darm-
traktus, wahrscheinlich auch Vasomotoren) zu beobachtenden Ver-
änderungen sind physiologisch als Umstimmungen zu charakteri-
sieren, d. h. als ,,bestimmt gerichtete Wandlungen der Leistungen
vegetativer Organe“. (Quincke und Stein (14).)
3. diese Umstimmung ergreift nicht alle vegetativen Apparate
gleichmäßig, sondern sie trifft eine Auswahl unter ihnen, zumin-
destens in dem Sinne, daß die Veränderungen gewisser vegetativer
Bezirke viel ausgesprochener sind als die anderer. Die vegetative
Umstimmung ist in bestimmter Richtung akzentuiert; das klinische
Bild der Nausea ist ein anderes wie das der Angst. Die Symptom-
verteilung auf Herz, Atmung und Magen z. B. ist in beiden ganz
verschieden. Und sie unterscheiden sich noch einmal, etwa von der
Wollust, obwohl alle diese drei vegetative Erregungen darstellen.
Gewiß gibt es Verschiebungen und Verwandlungen von Wollust
zu Angst, von Angst zu Schwindel und umgekehrt; Übergangs-
möglichkeiten also vom einen zum andern. Keineswegs läßt sich
eine klare Systematik dieser Gemeingefühle herausarbeiten wie bei
 
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