Wege psychophysischer Forschung
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das Feld verändert aus, ein neues Gleichgewicht, eine neue Ord-
nung ist erkennbar. Vergleichen wir den ersten mit dem dritten
Zustande, so wird deutlich, was geschehen ist. Früher unbewußte
Tendenzen sind bewußt geworden, vormals herrschende Wünsche
sind versunken. An die Stelle seelischer Erlebnisse sind
jetzt körperliche Verhaltungsweisen getreten, und an der
Stelle physiologischer Abläufe ist ein erlebter Wunsch oder Ge-
danke sichtbar. Jenes Zurücktreten und dieses Vortreten führender
Akte und das reciproke Verhältnis von Erleben und Geschehen,
von psychischer und von physischer Repräsentanz sind also
kreuzweise verschlungen und um den Schnittpunkt der Krise ge-
ordnet. Immer wo wir ein Ding tun, müssen wir ja sein Gegen-
teil lassen, und überall wo wir ein Gefühl erleben, eine Erkennt-
nis wissen, müssen wir ihr Gegenteil dem Unbewußten über-
antworten. Was wir so aber im Bewußtsein verbannen, wird im
Körper wirksam, und was wir ins Bewußtsein ziehen, verliert
an seiner leiblichen Kraft. In solcher coincidentia oppositorum
verbindet sich das Prinzip der Polarität mit dem der Unität. Ein
gleichsam spiegelbildliches Verhältnis gestattet dem wissenschaft-
lichen Bemühen ein konstruktives Prinzip hier durchzuführen,
ohne welches Wissenschaft nicht denkbar wäre. Seine Durchführ-
barkeit an den Akten der psychophysischen Erhaltung des Körper-
gleichgewichtes ist gelungen und bestätigt die Anwendung der
klinischen Erfahrungen der Pathologie auf Fälle des Normal-
lebens.
Die Darstellung hätte nunmehr das alles plastisch, konkret,
in Beispielen anschaulich, in seiner logischen Struktur durchsichtig
zu machen. Aber auch wenn Raum und Zeit kein Veto einlegten,
so griff hier ein Moment hindernd ein. Die psychologischen
Wirklichkeitsbereiche, deren Erschließung vorauszusetzen ist,
entziehen sich der akademischen Darstellung. Diejenige Er-
schließung der psychischen Innerlichkeit, welche einige große
Einsame in Weltanschauungsphilosophien, im psychologischen
Roman und zuletzt in der analytischen Psychologie und psycho-
physischen Klinik gebracht haben, gleicht dem allgemeinsten
Entwürfe der neuzeitlichen Naturwissenschaften nur in einem
Punkte: man kann ihn mit dem Worte experimentell be-
zeichnen. Das bedeutet, auch diese Psychologie erschließe sich
dem Erkennenden nur dort, wo er der Natur als ein Handelnder
entgegentritt in einer konkreten Bewegung, die er dem Gegen-
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das Feld verändert aus, ein neues Gleichgewicht, eine neue Ord-
nung ist erkennbar. Vergleichen wir den ersten mit dem dritten
Zustande, so wird deutlich, was geschehen ist. Früher unbewußte
Tendenzen sind bewußt geworden, vormals herrschende Wünsche
sind versunken. An die Stelle seelischer Erlebnisse sind
jetzt körperliche Verhaltungsweisen getreten, und an der
Stelle physiologischer Abläufe ist ein erlebter Wunsch oder Ge-
danke sichtbar. Jenes Zurücktreten und dieses Vortreten führender
Akte und das reciproke Verhältnis von Erleben und Geschehen,
von psychischer und von physischer Repräsentanz sind also
kreuzweise verschlungen und um den Schnittpunkt der Krise ge-
ordnet. Immer wo wir ein Ding tun, müssen wir ja sein Gegen-
teil lassen, und überall wo wir ein Gefühl erleben, eine Erkennt-
nis wissen, müssen wir ihr Gegenteil dem Unbewußten über-
antworten. Was wir so aber im Bewußtsein verbannen, wird im
Körper wirksam, und was wir ins Bewußtsein ziehen, verliert
an seiner leiblichen Kraft. In solcher coincidentia oppositorum
verbindet sich das Prinzip der Polarität mit dem der Unität. Ein
gleichsam spiegelbildliches Verhältnis gestattet dem wissenschaft-
lichen Bemühen ein konstruktives Prinzip hier durchzuführen,
ohne welches Wissenschaft nicht denkbar wäre. Seine Durchführ-
barkeit an den Akten der psychophysischen Erhaltung des Körper-
gleichgewichtes ist gelungen und bestätigt die Anwendung der
klinischen Erfahrungen der Pathologie auf Fälle des Normal-
lebens.
Die Darstellung hätte nunmehr das alles plastisch, konkret,
in Beispielen anschaulich, in seiner logischen Struktur durchsichtig
zu machen. Aber auch wenn Raum und Zeit kein Veto einlegten,
so griff hier ein Moment hindernd ein. Die psychologischen
Wirklichkeitsbereiche, deren Erschließung vorauszusetzen ist,
entziehen sich der akademischen Darstellung. Diejenige Er-
schließung der psychischen Innerlichkeit, welche einige große
Einsame in Weltanschauungsphilosophien, im psychologischen
Roman und zuletzt in der analytischen Psychologie und psycho-
physischen Klinik gebracht haben, gleicht dem allgemeinsten
Entwürfe der neuzeitlichen Naturwissenschaften nur in einem
Punkte: man kann ihn mit dem Worte experimentell be-
zeichnen. Das bedeutet, auch diese Psychologie erschließe sich
dem Erkennenden nur dort, wo er der Natur als ein Handelnder
entgegentritt in einer konkreten Bewegung, die er dem Gegen-