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Weizsäcker, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1934, 4. Abhandlung): Wege psychophysischer Forschung: Festrede bei der Stiftungsfeier der Akademie am 3. Juni 1934 — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.43676#0014
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Viktor v. Weizsäcker

Stande mitteilt, um sich von ihm wieder bewegen zu lassen —
in gegenseitiger Umfassung und unter Einsatz derselben Kräfte,
welche auch das Umfaßte bewegen. Von der Epoche der Ent-
stehung der Physik aber entfernt sich die Psychologie der
Innerlichkeit um ihres Gegenstandes, um ihrer neuen und durchaus
unvorhergesehenen Sphäre willen. Wenn heute der Ball der
Medizin zugeworfen ist, wenn wir hier statt des Wortes Experi-
ment das Wort Therapie einsetzen müssen, so ist der Grund
aus der Lage, in der sich wenigstens die europäische Wissenschaft
befindet, nur allzu klar. Handelndes Erkennen und erkennendes
Handeln drückt die Not und die Notwendigkeit der Epoche
zugleich aus. Vielleicht liegt hier aber doch eine Betrachtung
nahe, die akademisch zu nennen wäre. Der große Rechtsprozeß,
welchen das anbrechende 17. Jahrhundert zwischen Philosophie
und Empirismus entstehen ließ, zuletzt von Schelling gigantisch
und vergeblich aufgerollt, ist noch nicht beendet. Aber es scheint,
daß er in sein Entscheidungsstadium tritt, und daß eine Hoffnung
für unsere geistige Einheit darin liegt. So erklärt sich vielleicht,
daß in dem Bemühen, Ihnen die besondere Lage der gegenwär-
tigen wissenschaftlichen Psychophysiologie der Sinnne darzulegen,
sich zur Verdeutlichung jene Formeln wie von selbst anboten,
welche die Erinnerung gerade an die Übergangsgeschichte aus
Mittelalter in Neuzeit wachrufen. Docta ignorantia, coincidentia
oppositorum, natura naturans, omnia ubique, das sind ja die
großartigen Formeln, welche die Epoche des Cusanus, des Bruno
bezeichnen und in der schon überreifen Synthese des großen
Leibniz zum erstenmal sich mit dem Gewichte der neuen Natur-
wissenschaften messen.
Blicken wir von unserer eigenen Arbeit im Laboratorium und
am Krankenbett einen Augenblick auf, so werden wir gewahr,
wie der Spiralgang der Geschichte uns noch einmal an eine
ähnliche Stelle geführt hat, wie jene Zeit. Die Metaphysik der
Renaissance stand freilich anders wie die der Alten und anders
als wir. Wenn die Philosophie der Alten sich keiner Experimen-
tierwissenschaft gegenübersah, wie Leibniz, so war wiederum
sein wissenschaftlicher Geist nicht dem empirischen Menschen
gegenübergestellt, der uns gegeben ist: dem politischen, dem
sozialen, dem arbeitenden, dem beseelten Menschen. Und wenn
er, der Philosoph, in seinem nouveau Systeme bekennt, daß
weniges ihn so lebhaft zur Entwicklung seiner Unsterblichkeits-
 
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