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Eichholtz, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1935, 8. Abhandlung): Der biologische Gedanke in der naturwissenschaftlichen Medizin — Heidelberg, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.43720#0031
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in der naturwissenschaftlichen Medizin

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ein Individualkult entstanden, der als Reaktion gegen eine allzu
starre schematische Auffassung seine Berechtigung besitzt, der
aber den Aufbau der nötigen therapeutischen Erfahrungen sehr
erschwert.
Für viele Ärzte ist die Pneumonie heute keine Infektionskrank-
heit mehr, die mit einer — wenn auch plastischen — Gesetz-
mäßigkeit abläuft, und die auf bestimmte therapeutische Eingriffe
so reagiert, daß die Erfolge statistisch erfaßbar sind. Es gibt
vielmehr lehrhafte Darstellungen, in denen die klassischen Krank-
heitsbilder fast vollständig überdeckt werden von den Sonder-
interessen der Konstitutionslehre, der Seelenkunde, der Erbfor-
schung und anderer, mit besonderem Nachdruck bearbeiteter,
wenn auch grundsätzlich wichtiger Spezialgebiete.
Unter diesen Umständen wird nicht nur jede feste Form der
Arzneimittellehre, sondern auch jede Fortentwicklung der Therapie
unmöglich, die sich letzten Endes, was von vielen vergessen wird,
nur auf großen Erfolgsstatistiken aufbauen kann.
Das trifft für alle therapeutischen Richtungen zu, auch für die
„biologische Medizin“. Nur auf statistischem Wege ist es mög-
lich, die Wirksamkeit der verschiedenen Verfahren mit größerer
Sicherheit gegeneinander abzuwägen. Es ist tief bedauerlich, daß
auch die naturwissenschaftliche Medizin nur für wenige thera-
peutische Verfahren, wie Pasteurimpfung, Chininbehandlung der
Pneumonie, Lebertherapie und Behandlung der Tropenkrankheiten,
derartige statistische Daten besitzt. Die Reichweite eines thera-
peutischen Eingriffs läßt sich daher in den meisten Fällen nicht
genügend übersehen. Allerdings mag im Einzelfalle eine quanti-
tative oder kritische Veränderung der Krankheitszeichen genügende
Sicherheit bieten.
Nach diesen grundsätzlichen Vorbemerkungen soll die Frage
erörtert werden, inwieweit biologische Tatsachen mit dem mo-
dernen Arzneischatz verbunden sind.
Die biologische Idee war lange Zeit nur eine dunkle Ahnung
weniger mutiger Männer und war verschrieen als Phantasterei
oder kindlicher Aberglaube.
Seitdem ist immer deutlicher der gemeinsame Bauplan sichtbar
geworden, der die gesamte lebende Natur durchzieht, und der
sich auch darin äußert, daß die chemischen Bausteine und die
chemischen Umsetzungen in Pflanze und Tier die gleichen sind
 
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